Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Unlautere Geschäftspraktiken. Preisermäßigung. Kennzeichnung oder Anzeige des Referenzpreises
Normenkette
Richtlinie 2005/29/EG; Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist in dem Sinne auszulegen, dass sie nationalen Vorschriften, wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, entgegensteht, die ein allgemeines Verbot – ohne Beurteilung des Einzelfalls, anhand deren der unlautere Charakter festgestellt werden kann – von Ankündigungen von Preisermäßigungen vorsehen, die bei der Kennzeichnung oder Anzeige des Preises nicht den Referenzpreis ausweisen, vorausgesetzt, dass mit diesen Vorschriften Ziele des Verbraucherschutzes verfolgt werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 9. September 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2015, in dem Strafverfahren gegen
Cdiscount SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Cdiscount SA (im Folgenden: Cdiscount) wegen fehlender Angabe des Referenzpreises bei von der Cdiscount über eine Online-Vertriebs-Website getätigten Verkäufen zu ermäßigten Preisen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 6, 8 und 17 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken lauten wie folgt:
„(6) Die vorliegende Richtlinie gleicht … die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen. … Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. …
…
(8) Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. …
…
(17) Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.”
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.”
Rz. 5
Art. 2 der Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
d) ‚Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern’ (nachstehend auch ‚Geschäftspraktiken’ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlic...