Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschleunigtes Verfahren
Beteiligte
Bundesministerium für Inneres |
Tenor
Dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich), die Rechtssache C-256/11 dem beschleunigten Verfahren nach Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 104a Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen, wird stattgegeben
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 5. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2011, in den Verfahren
Murat Dereci,
Vishaka Heiml,
Alban Kokollari,
Izunna Emmanuel Maduike,
Dragica Stevic
gegen
Bundesministerium für Inneres
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
auf Vorschlag der Berichterstatterin R. Silva de Lapuerta,
nach Anhörung des Generalanwalts P. Mengozzi
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 AEUV und der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77 sowie Berichtigungen ABl. 2004, L 229, S. 35 und ABl. 2007, L 204, S. 28) sowie des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, die durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei begründet wurde, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und von den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde, und des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und im Namen der Gemeinschaft durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beschwerdeführern der Ausgangsverfahren und dem Bundesministerium für Inneres aufgrund des Umstands, dass das Ministerium die von diesen Beschwerdeführern gestellten Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung ablehnte, wobei damit in drei der Ausgangsverfahren eine Ausweisung und Maßnahmen der Ausweisung aus dem österreichischen Staatsgebiet einhergingen.
Rz. 3
Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Beschwerdeführer der Ausgangsverfahren alle Drittstaatsangehörige sind, die mit Familienangehörigen, die Unionsbürger sind und in Österreich ihren Wohnsitz haben, leben möchten. Es ist außerdem klarzustellen, dass die betreffenden Unionsbürger von ihrem Freizügigkeitsrecht niemals Gebrauch gemacht haben und hinsichtlich ihres Lebensunterhalts nicht auf die Beschwerdeführer der Ausgangsverfahren angewiesen sind.
Rz. 4
Demgegenüber weisen die Sachverhalte dieser Ausgangsverfahren Unterschiede insbesondere im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit bzw. Unrechtmäßigkeit der Einreise der Beschwerdeführer der Ausgangsverfahren in das österreichische Hoheitsgebiet, ihren derzeitigen Wohnsitz sowie die Art der familiären Bindung zu dem betroffenen Unionsbürger und das Vorliegen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von diesem auf.
Rz. 5
So reiste Herr Dereci, ein türkischer Staatsangehöriger, unrechtmäßig nach Österreich ein, heiratete eine österreichische Staatsangehörige und hat mit ihr drei Kinder, die die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen und derzeit minderjährig sind. Herr Dereci wohnt derzeit mit seiner Familie in Österreich. Herr Maduike, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste ebenfalls unrechtmäßig nach Österreich ein und heiratete eine österreichische Staatsangehörige, mit der er derzeit in Österreich wohnt.
Rz. 6
Frau Heiml, eine Staatsangehörige von Sri Lanka, heiratete hingegen einen österreichischen Staatsangehörigen, bevor sie rechtmäßig nach Österreich einreiste, wo sie derzeit mit ihrem Ehemann wohnt.
Rz. 7
Herr Kokollari wiederum reiste im Alter von zwei Jahren rechtmäßig mit seinen Eltern, die die jugoslawische Staatsgehörigkeit hatten, nach Österreich ein und behauptet, für seinen Unterhalt als 29-jähriger trage seine Mutter Sorge, die inzwischen österreichische Staatsangehörige geworden sei. Er wohnt derzeit in Österreich. Frau Stevic, eine serbische Staatsangehörige, ist 52 Jahre alt und beantragt die Familienzusammenführung mit ihrem Vater, über den hervorgeht, dass er seit langen Jahren in Österreich wohnt und im Jahr 2007 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehe...