Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz. Antrag auf Aufhebung oder Abänderung eines Beschlusses über einstweilige Anordnungen. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz. Unabhängigkeit der Richter. Nichtdurchführung. Änderung der Umstände. Zwangsgeld
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 163; EUV Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47
Beteiligte
Kommission/ Polen () und vie privée des juges) |
Tenor
1.Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2021, Kommission/Polen (C-204/21 R, EU:C:2021:878), wird zurückgewiesen.
2.Der Betrag des Zwangsgelds, zu dessen Zahlung an die Europäische Kommission die Republik Polen mit dem Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2021, Kommission/Polen (C-204/21 R, EU:C:2021:878), verurteilt wurde, wird ab dem Tag der Unterzeichnung des vorliegenden Beschlusses auf 500 000 Euro pro Tag herabgesetzt.
3.Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-204/21 R-RAP
betreffend einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung eines Beschlusses über einstweilige Anordnungen nach Art. 163 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, eingereicht am 10. März 2023,
Republik Polen,vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,
Antragstellerin,
gegen
Europäische Kommission,vertreten durch K. Herrmann und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,
Antragsgegnerin,
unterstützt durch
Königreich Belgien,vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
Königreich Dänemark,vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,
Königreich der Niederlande,vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
Republik Finnland,vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
Königreich Schweden,ursprünglich vertreten durch H. Eklinder, J. Lundberg, C. Meyer-Seitz, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson, dann durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
nach Anhörung des Generalanwalts A. M. Collins
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Antrag beantragt die Republik Polen, den Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2021, Kommission/Polen (C-204/21 R, im Folgenden: Beschluss vom 27. Oktober 2021, EU:C:2021:878), aufzuheben oder, hilfsweise, abzuändern.
Verfahren vor dem Gerichtshof
Rz. 2
Am 1. April 2021 hat die Europäische Kommission eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV erhoben auf Feststellung, dass
- – die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie aus Art. 267 AEUV und aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verstoßen hat, dass sie Art. 42a §§ 1 und 2 sowie Art. 55 § 4 der Ustawa – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit) vom 27. Juli 2001 (Dz. U. 2001, Nr. 98, Position 1070) in der durch die Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Sądzie Najwyższym oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über das Oberste Gericht und einiger anderer Gesetze) vom 20. Dezember 2019 (Dz. U. 2020, Position 190, im Folgenden: Änderungsgesetz) geänderten Fassung (im Folgenden: geändertes Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit), Art. 26 § 3 und Art. 29 §§ 2 und 3 der Ustawa o Sądzie Najwyższym (Gesetz über das Oberste Gericht) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 5) in der Fassung des Änderungsgesetzes (im Folgenden: geändertes Gesetz über das Oberste Gericht), Art. 5 §§ 1a und 1b der Ustawa – Prawo o ustroju sądów administracyjnych (Gesetz über den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit) vom 25. Juli 2002 (Dz. U. 2002, Position 1269) in der Fassung des Änderungsgesetzes (im Folgenden: geändertes Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit) sowie Art. 8 des Änderungsgesetzes erlassen und beibehalten hat, wonach allen nationalen Gerichten die Prüfung, ob die Anforderungen der Europäischen Union in Bezug auf ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht erfüllt sind, untersagt ist;
- – die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta sowie aus Art. 267 AEUV und aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verstoßen hat, dass sie Art. 26 §§ 2 und 4 bis 6 sowie Art. 82 §§ 2 bis 5 des geänderten Gesetzes über das Oberste Gericht sowie Art. 10 des Änderungsge...