Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz. Antrag auf einstweilige Anordnungen. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz. Unabhängigkeit der Richter. Disziplinarordnung für Richter. Prüfung von Rechtsfragen in Bezug auf die fehlende Unabhängigkeit von Richtern. Zwangsgeld
Normenkette
AEUV Art. 279; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; EUV Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2
Beteiligte
Tenor
1. Die Republik Polen wird verurteilt, an die Europäische Kommission ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 000 Euro pro Tag zu zahlen, und zwar ab dem Tag der Zustellung des vorliegenden Beschlusses an die Republik Polen und bis zu dem Tag, an dem dieser Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus dem Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 14. Juli 2021, Kommission/Polen (C-204/21 R, EU:C:2021:593), nachkommt, oder andernfalls bis zum Tag der Verkündung des Urteils, mit dem das Verfahren in der Rechtssache C-204/21 beendet wird.
2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend einen Antrag auf einstweilige Anordnungen nach Art. 279 AEUV, eingereicht am 7. September 2021,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,
Antragstellerin,
unterstützt durch:
Königreich Belgien, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
Königreich Dänemark, vertreten durch M. Søndahl Wolff und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
Republik Finnland, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
Königreich Schweden, vertreten durch H. Shev, C. Meyer-Seitz, M. Salborn Hodgson, H. Eklinder, R. Shahsavan Eriksson, O. Simonsson und J. Lundberg als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
Antragsgegnerin,
erlässt
DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
nach Anhörung des Generalanwalts A. M. Collins
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Antrag auf einstweilige Anordnungen beantragt die Europäische Kommission, die Republik Polen zu verurteilen, ein tägliches Zwangsgeld an den Haushalt der Europäischen Union zu zahlen, um sie dazu zu veranlassen, ihren Verpflichtungen aus dem Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 14. Juli 2021, Kommission/Polen (C-204/21 R, im Folgenden: Beschluss vom 14. Juli 2021, EU:C:2021:593), unverzüglich nachzukommen.
Rz. 2
Dieser Antrag ist im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV gestellt worden, die von der Kommission am 1. April 2021 erhoben wurde und mit der beantragt wird,
- festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie aus Art. 267 AEUV und aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verstoßen hat, dass sie Art. 42a §§ 1 und 2 sowie Art. 55 § 4 der Ustawa – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit) vom 27. Juli 2001 (Dz. U. 2001, Nr. 98, Position 1070) in der Fassung der Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Sądzie Najwyższym oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit, des Gesetzes über das Oberste Gericht und einiger anderer Gesetze) vom 20. Dezember 2019 (Dz. U. 2020, Position 190, im Folgenden: Änderungsgesetz) (im Folgenden zusammen: geändertes Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit), Art. 26 § 3 und Art. 29 §§ 2 und 3 der Ustawa o Sądzie Najwyższym (Gesetz über das Oberste Gericht) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Position 5) in der Fassung des Änderungsgesetzes (im Folgenden: geändertes Gesetz über das Oberste Gericht), Art. 5 §§ 1a und 1b der Ustawa – Prawo o ustroju sądów administracyjnych (Gesetz über den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit) vom 25. Juli 2002 (Dz. U. 2002, Position 1269) in der Fassung des Änderungsgesetzes (im Folgenden: geändertes Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit) sowie Art. 8 des Änderungsgesetzes erlassen und beibehalten hat, wonach allen nationalen Gerichten die Prüfung, ob die Anforderungen der Union in Bezug auf ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht erfüllt sind, untersagt ist;
- festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta sowie aus Art. 267 AEUV und aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verstoßen hat, dass sie Art. 26 §§ 2 und 4 bis 6 sowie Art. 82 §§ 2 bis 5 des geänderten Gesetzes über das Oberste Gericht sowie Art. 10 ...