Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Vorläufiger Rechtsschutz. Öffentlicher Auftrag. Ausschreibungsverfahren. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Dringlichkeit. Kriterien für die Beurteilung der Voraussetzung der Dringlichkeit. Vorvertragliche Phase. Stillhaltefrist
Beteiligte
Telefónica de España/ Kommission |
Tenor
1. Der Beschluss des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2022, Telefónica de España/Kommission (T-170/22 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:460), wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein am 17. Juli 2022 eingelegtes Rechtsmittel nach Art. 57 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
Telefónica de España SA mit Sitz in Madrid (Spanien), vertreten durch J. Blanco Carol, F. E. González-Díaz, Abogados, und P. Stuart, Barrister,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch L. André und M. Ilkova als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
nach Anhörung des Generalanwalts M. Szpunar
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Telefónica de España SA die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2022, Telefónica de España/Kommission (T-170/22 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:460, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem dieser ihren Antrag zurückgewiesen hat, der zum einen auf Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 21. Januar 2022 zur Ausschreibung DIGIT/A 3/PR/2019/010, „Transeuropäische Telematikdienste zwischen Behörden (TESTA)” gerichtet war, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihr Angebot im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht ausgewählt wurde, und die bevorstehende Unterzeichnung eines Vertrags mit dem ausgewählten Bieter angekündigt wurde (im Folgenden: streitige Entscheidung), und der zum anderen darauf abzielte, der Kommission aufzugeben, die Unterzeichnung dieses Vertrags auszusetzen.
Rechtsrahmen
Richtlinie 89/665/EWG
Rz. 2
Art. 2 Abs. 7 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 (ABl. 2014, L 94, S. 1) (im Folgenden: Richtlinie 89/665) geänderten Fassung bestimmt:
„Außer in den in den Artikeln 2d bis 2f genannten Fällen richten sich die Wirkungen der Ausübung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Befugnisse auf den nach der Zuschlagsentscheidung geschlossenen Vertrag nach dem einzelstaatlichen Recht.
Abgesehen von dem Fall, in dem eine Entscheidung vor Zuerkennung von Schadensersatz aufgehoben werden muss, kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss in Übereinstimmung mit … den Artikeln 2a bis 2f die Befugnisse der Nachprüfungsstelle darauf beschränkt werden, einer durch einen Verstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen.”
Rz. 3
Art. 2a Abs. 2 dieser Richtlinie legt fest:
„Ein Vertrag im Anschluss an die Zuschlagsentscheidung für einen Auftrag oder eine Konzession … darf frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag, bei Mitteilung per Fax oder auf elektronischem Weg, oder, falls andere Kommunikationsmittel genutzt werden, entweder frühestens 15 Kalendertage, gerechnet ab dem auf die Absendung der Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter und Bewerber folgenden Tag oder frühestens zehn Kalendertage, gerechnet ab dem Tag nach dem Eingang der Zuschlagsentscheidung geschlossen werden.
…”
Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046
Rz. 4
Art. 175 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) sieht vor:
„(2) Vorbehaltlich der Ausnahmen und Bedingungen gemäß Anhang I dieser Verordnung unterzeichnet der öffentliche Auftraggeber … den Vertrag oder Rahmenvertrag mit dem erfolgreichen Bieter erst nach Ablauf einer Stillhaltefrist.
(3) Die Stillhaltefrist beträgt zehn Tage, wenn elektronische Kommunikationsmittel genutzt werden, und 15 Tage, wenn andere Mittel genutzt werden.”
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 5
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 2 bis 9 des angefochtenen Beschlusses dar...