Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Ausgleichsanspruch bei Annullierung eines Fluges. Über einen Online-Reisevermittler geschlossener Beförderungsvertrag. Unterrichtung über die Annullierung des Fluges über eine vom Reisevermittler automatisch generierte E-Mail-Adresse. Keine tatsächliche Unterrichtung des Fluggastes
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 1 Buchst. c
Beteiligte
Tenor
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
sind dahin auszulegen, dass
das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E-Mail-Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Kleve (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2021, in dem Verfahren
AB u. a.
gegen
Ryanair DAC
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und N. Piçarra,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von AB u. a., vertreten durch Rechtsanwalt C. Jansen,
- der Ryanair DAC, vertreten durch Rechtsanwältin S. Hensel,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, K. Simonsson und G. Wilms als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen AB und mehreren anderen Fluggästen auf der einen und dem Luftfahrtunternehmen Ryanair DAC wegen dessen Weigerung, diesen Fluggästen nach der Annullierung ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 7 und 12 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der [Europäischen Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(7) Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird.
…
(12) Das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen, sollten ebenfalls verringert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugzeit über Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, so dass die Fluggäste umdisponieren können. Andernfalls sollten die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen einen Ausgleich leisten und auch eine angemessene Betreuung anbieten, es sei denn, die Annullierung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.”
Rz. 4
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen’ ein...