Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Straßenverkehr. Zulassung von Kraftfahrzeugen. Fahrer mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat. Fahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist. Fahrzeug, das dem geschäftsführenden Gesellschafter einer in diesem anderen Mitgliedstaat ansässigen Handelsgesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Verpflichtung, im Fahrzeug stets den Nachweis über die rechtmäßige Nutzung dieses Fahrzeugs mitzuführen. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; AEUV Art. 49
Beteiligte
Tenor
Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach sich eine dort wohnhafte Person für ein ihr von der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, deren geschäftsführender Gesellschafter sie ist, zur Verfügung gestelltes und dort zugelassenes Fahrzeug nur dann auf eine Ausnahme von der Verpflichtung, Fahrzeuge in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat zuzulassen, berufen kann, wenn die Dokumente, die belegen, dass die betroffene Person die Voraussetzungen für diese Ausnahme erfüllt, stets im Fahrzeug mitgeführt werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gericht Erster Instanz Eupen (Belgien) mit Entscheidung vom 7. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2019, in dem Verfahren
ES
gegen
Wallonische Region
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 und 56 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ES und der Wallonischen Region (Belgien) wegen einer aufgrund eines Verstoßes gegen die Regelung betreffend die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs im Königreich Belgien gegen ES verhängten Geldbuße und der Zahlung der Steuern, die in dieser Regelung für die Nutzung eines in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Firmenfahrzeugs durch die betroffene Person mit Wohnsitz in Belgien vorgesehen sind.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Gemäß Art. 3 § 1 des Königlichen Erlasses vom 20. Juli 2001 über die Zulassung von Fahrzeugen (Moniteur belge vom 8. August 2001, S. 27022) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Königlicher Erlass vom 20. Juli 2001) müssen in Belgien wohnhafte Personen Fahrzeuge, die sie in Belgien in Betrieb nehmen möchten, in das Fahrzeugverzeichnis eintragen lassen, auch wenn diese Fahrzeuge bereits im Ausland zugelassen sind.
Rz. 4
Art. 3 § 2 Nr. 2 dieses Königlichen Erlasses bestimmt:
„In folgenden Fällen ist die Zulassung in Belgien von Fahrzeugen, die im Ausland zugelassen sind und von den in § 1 erwähnten Personen in Betrieb genommen werden, nicht Pflicht. Diese Fälle betreffen:
…
2. Fahrzeuge, die eine natürliche Person für die Ausübung ihres Berufs und nebenbei für private Zwecke benutzt und die von einem ausländischen Arbeitgeber oder Auftraggeber, mit dem diese Person durch einen Arbeitsvertrag oder einen Auftrag verbunden ist, zur Verfügung gestellt werden; eine Kopie des Arbeitsvertrags oder Auftrags ist im Fahrzeug mitzuführen sowie ein durch den ausländischen Arbeitgeber oder Auftraggeber ausgestelltes Dokument, durch das bescheinigt wird, dass Letzterer das Fahrzeug dieser Person zur Verfügung gestellt hat”.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 5
Im Jahr 2015 gründete ES in Deutschland eine Gesellschaft, deren geschäftsführender Gesellschafter er ist. Er ist bei dieser Gesellschaft selbständig beschäftigt. Die Gesellschaft stellte ihm hauptsächlich für die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit und nebenbei für seine private Nutzung ein Fahrzeug zur Verfügung.
Rz. 6
Am 6. Juli 2017 wurde ES vom Öffentlichen Dienst der Wallonie kontrolliert, als er am Steuer dieses Fahrzeugs saß. Bei dieser Kontrolle konnte er eines der Dokumente, die gemäß dem Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 in einem im Ausland zugelassenen und von einem ausländischen Auftraggeber zur Verfügung gestellten Fahrzeug mitzuführen sind, nämlich eine Kopie des die betroffene Person mit diesem Auftraggeber verbindenden Auftrags, nicht vorlegen.
Rz. 7
Infolge dieser Kontrolle stellten die zuständigen Finanzbehörden des Öffentlichen Dienstes der Wallonie in einem Protokoll den Verstoß gegen den Königlichen Erlass vom 20. Juli 2001 fest und setzten gegen ES Verkehrsteuer, Zuschlagszehntel hierauf, Zulassungsteuer und einen Ökomalus sowie eine Geldbuße für den Verstoß über insgesamt 5 792,91 Euro fest.
Rz. 8
Am 27. November 2017 legte der Kläger bei der Wallonischen Region Einspruch ein, um d...