Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage. Institutionelles Recht. Protokoll über die Festlegung der Sitze der Organe und bestimmter Einrichtungen, sonstiger Stellen und Dienststellen der Europäischen Union. Europäisches Parlament. Begriff der ‚Haushaltstagung’, die in Straßburg (Frankreich) stattfindet. Ausübung der Haushaltsbefugnis im Rahmen einer zusätzlichen Plenartagung in Brüssel (Belgien)

 

Normenkette

AEUV Art. 314

 

Beteiligte

Frankreich / Parlament (Exercice du pouvoir budgétaire)

Französische Republik

Europäisches Parlament

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Französische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Europäischen Parlaments.

3. Das Großherzogtum Luxemburg trägt seine eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 9. Februar 2017,

Französische Republik, vertreten durch F. Alabrune, D. Colas, B. Fodda und E. de Moustier als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch D. Holderer und C. Schiltz als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch R. Crowe und U. Rösslein als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, T. von Danwitz (Berichterstatter) und A. Rosas, der Richter E. Juhász und D. Šváby, der Richterin A. Prechal, des Richters F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und M. Vilaras,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juni 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Französische Republik beantragt mit ihrer Klage die Nichtigerklärung von vier Handlungen des Europäischen Parlaments, die mit der Annahme des Jahreshaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2017 zusammenhängen:

  • die Tagesordnung der Plenarsitzung des Parlaments vom 30. November 2016 (Dokument P8_OJ [2016]11-30), soweit sie eine Aussprache über den gemeinsamen Entwurf des Jahreshaushaltsplans der Union für das Haushaltsjahr 2017 vorsieht;
  • die Tagesordnung der Plenarsitzung des Parlaments vom 1. Dezember 2016 (Dokument P8_OJ [2016]12-01), soweit sie eine Abstimmung gefolgt von Erklärungen zur Abstimmung über diesen gemeinsamen Entwurf vorsieht;
  • die legislative Entschließung des Parlaments vom 1. Dezember 2016 (Dokument T8-0475/2016, P8_TA-PROV[2016]0475) zu diesem gemeinsamen Entwurf und
  • die Handlung vom 1. Dezember 2016, mit der der Präsident des Parlaments festgestellt hat, dass der Jahreshaushaltsplan der Union für das Haushaltsjahr 2017 endgültig erlassen ist.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 2

Am 12. Dezember 1992 fassten die Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 216 des EWG-Vertrags, Art. 77 des EGKS-Vertrags und Art. 189 des EAG-Vertrags im gegenseitigen Einvernehmen den Beschluss über die Festlegung der Sitze der Organe und bestimmter Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1992, C 341, S. 1, im Folgenden: Beschluss von Edinburgh).

Rz. 3

Auf der Regierungskonferenz, die zur Annahme des Vertrags von Amsterdam geführt hat, wurde der Text des Beschlusses von Edinburgh dem EU-, dem EG-, dem EGKS- und dem EAG-Vertrag als Protokoll beigefügt.

Rz. 4

Derzeit sieht der einzige Artikel Buchst. a des Protokolls über die Festlegung der Sitze der Organe und bestimmter Einrichtungen, sonstiger Stellen und Dienststellen der Europäischen Union, das dem EU-Vertrag, dem AEU-Vertrag und dem EAG-Vertrag beigefügt ist (im Folgenden: Protokoll über die Sitze der Organe), nahezu wortgleich mit Art. 1 Buchst. a des Beschlusses von Edinburgh vor:

„Das Europäische Parlament hat seinen Sitz in Straßburg; dort finden die 12 monatlichen Plenartagungen einschließlich der Haushaltstagung statt. Zusätzliche Plenartagungen finden in Brüssel statt. Die Ausschüsse des Europäischen Parlaments treten in Brüssel zusammen. Das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments und dessen Dienststellen verbleiben in Luxemburg.”

Rz. 5

Art. 314 AEUV bestimmt u. a.:

„Das Europäische Parlament und der Rat legen den Jahreshaushaltsplan der Union im Rahmen eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens nach den folgenden Bestimmungen fest:

(3) Der Rat legt seinen Standpunkt zu dem Entwurf des Haushaltsplans fest und leitet ihn spätestens am 1. Oktober des Jahres, das dem entsprechenden Haushaltsjahr vorausgeht, dem Europäischen Parlament zu. …

(4) Hat das Europäische Parlament binnen 42 Tagen nach der Übermittlung

c) mit der Mehrheit seiner Mitglieder Abänderungen angenommen, so wird die abgeänderte Fassung des Entwurfs dem Rat und der Kommission zugeleitet. Der Präsident des Europäischen Parlaments beruft im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Rates umgehend den Verm...

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