Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsgrundlage, Minderung der Besteuerungsgrundlage, Unmittelbares Berufungsrecht, Gegenläufige Berufung auf Unionsrecht und nationales Recht
Leitsatz (amtlich)
Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Steuerpflichtigen die Berufung auf die unmittelbare Wirkung dieser Bestimmung im Hinblick auf einen Umsatz nicht mit der Begründung versagen kann, dass sich dieser Steuerpflichtige im Hinblick auf einen anderen, die gleichen Gegenstände betreffenden Umsatz auf Vorschriften des nationalen Rechts berufen kann und die kumulative Anwendung dieser Bestimmungen zu einem steuerlichen Gesamtergebnis führen würde, zu dem weder das nationale Recht noch die Sechste Richtlinie 77/388 bei jeweils separater Anwendung auf diese Umsätze führt oder führen soll.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 11 Teil C Abs. 1
Beteiligte
The Commissioners for HM Revenue and Customs |
Verfahrensgang
Upper Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 10.12.2012; ABl. EU 2013, Nr. C 71/7) |
Tatbestand
„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie 77/388/EWG ‐ Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 ‐ Unmittelbare Wirkung ‐ Minderung der Besteuerungsgrundlage ‐ Bewirkung zweier, die gleichen Gegenstände betreffender Umsätze ‐ Lieferung von Gegenständen ‐ Durch Leasingverträge veräußerte Fahrzeuge, die wieder in Besitz genommen und im Wege der Versteigerung weiterveräußert werden ‐ Rechtsmissbrauch“
In der Rechtssache C-589/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 10. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2012, in dem Verfahren
Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs
gegen
GMAC UK plc
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der GMAC UK plc, vertreten durch R. Cordara, QC,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von K. Lasok, QC,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal, A. Cordewener und C. Soulay als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) und der GMAC UK plc (im Folgenden: GMAC) über den mehrwertsteuerpflichtigen Betrag bei Lieferungen, die GMAC zur Erfüllung von Leasingverträgen über Kraftfahrzeuge vorgenommen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 11 Teil A der Sechsten Richtlinie, der die Besteuerungsgrundlage im Inland betrifft, sah vor:
„(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen … alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen;
…“
Rz. 4
Art. 11 Teil C der Sechsten Richtlinie, der verschiedene Bestimmungen enthält, sah in Abs. 1 vor:
„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
Jedoch können die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von dieser Regel abweichen.“
Recht des Vereinigten Königreichs
Rz. 5
Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass die Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie zwei Regelungskomplexe enthielten. Der erste war bei einer Minderung der Gegenleistung anwendbar, der zweite, der eine Steuererleichterung in Form einer Vergütung we...