Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Anspruch auf Ausgleichszahlung bei großer Verspätung eines Fluges. Dauer der Verspätung. Begriff ‚Ankunftszeit’

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2, 5, 7

 

Beteiligte

Germanwings GmbH

Ronny Henning

 

Tenor

Die Art. 2, 5 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass der Begriff „Ankunftszeit”, der verwendet wird, um das Ausmaß der Fluggästen entstandenen Verspätung zu bestimmen, für den Zeitpunkt steht, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Salzburg (Österreich) mit Entscheidung vom 31. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 12. August 2013, in dem Verfahren

Germanwings GmbH

gegen

Ronny Henning

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter) und der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Henning, vertreten durch Rechtsanwalt A. Skribe,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „Ankunftszeit” im Sinne der Art. 2, 5 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Germanwings GmbH (im Folgenden: Germanwings) und Herrn Henning über die Weigerung dieses Luftfahrtunternehmens, Herrn Henning wegen der Verspätung, die sein Flug bei der Ankunft am Flughafen Köln/Bonn (Deutschland) gehabt haben soll, eine Ausgleichszahlung zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

h) ‚Endziel’ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird.”

Rz. 4

Art. 5 („Annullierung”) der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

…”

Rz. 5

Art. 6 („Verspätung”) der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:

„(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug

  1. bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder
  2. bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km um drei Stunden oder mehr oder
  3. bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr,

gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen

i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,

ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben ...

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