Entscheidungsstichwort (Thema)

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen. Voraussetzungen für die Bestätigung einer Entscheidung als Vollstreckungstitel. Situation, in der die Entscheidung im Mitgliedstaat des Gläubigers in einem Rechtsstreit zwischen zwei nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden Personen ergangen ist

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 805/2004

 

Beteiligte

Vapenik

Walter Vapenik

Josef Thurner

 

Tenor

Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ist dahin auszulegen, dass er nicht auf Verträge anwendbar ist, die zwischen zwei nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden Personen geschlossen wurden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Salzburg (Österreich) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2012, in dem Verfahren

Walter Vapenik

gegen

Josef Thurner

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter), des Richters J. Malenovský und der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. L 143, S. 15).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Verfahren über eine Klage, die Herr Vapenik, der seinen Wohnsitz in Salzburg (Österreich) hat, gegen die Ablehnung seines Antrags auf Ausstellung eines Europäischen Vollstreckungstitels für eine Säumnisentscheidung erhoben hat. Diese war gegen Herrn Thurner ergangen, der seinen Wohnsitz in Ostende (Belgien) hat. Der Antrag von Herrn Vapenik war mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Klage gegen Herrn Thurner, einen Verbraucher, nicht in dem Mitgliedstaat erhoben worden sei, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 805/2004

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 8, 9 und 20 der Verordnung Nr. 805/2004 lauten:

„(8) Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen von Tampere die Auffassung vertreten, dass der Zugang zur Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Entscheidung ergangen ist, durch den Verzicht auf die dort als Voraussetzung einer Vollstreckung erforderlichen Zwischenmaßnahmen beschleunigt und vereinfacht werden sollte. Eine Entscheidung, die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, sollte im Hinblick auf die Vollstreckung so behandelt werden, als wäre sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen. … Die Modalitäten der Vollstreckung dieser Entscheidungen unterliegen weiterhin dem nationalen Recht.

(9) Dieses Verfahren sollte gegenüber dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [(ABl. 2001, L 12, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1496/2002 der Kommission vom 21. August 2002 (ABl. L 225, S. 13) (im Folgenden: Verordnung Nr. 44/2001)] einen erheblichen Vorteil bieten, der darin besteht, dass auf die Zustimmung des Gerichts eines zweiten Mitgliedstaats mit den daraus entstehenden Verzögerungen und Kosten verzichtet werden kann.

(20) Dem Gläubiger sollte es frei stehen, eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen zu beantragen oder sich für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 oder für andere Gemeinschaftsrechtsakte zu entscheiden.”

Rz. 4

Art. 1 dieser Verordnung lautet:

„Mit dieser Verordnung wird ein Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen eingeführt, um durch die Festlegung von Mindestvorschriften den freien Verkehr von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat ein Zwischenverfahren vor der Anerkennung und Vollstreckung angestrengt werden muss.”

Rz. 5

Art. 3 Abs. 1 der ...

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