Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Grenzüberschreitender Austausch von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte. Wahl der Rechtsgrundlage. Aufrechterhaltung der Wirkungen der Richtlinie im Fall ihrer Nichtigerklärung
Normenkette
Richtlinie 2011/82/EU; AEUV Art. 87 Abs. 2 Buchst. a, Art. 91
Beteiligte
Kommission / Parlament und Rat |
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Die Richtlinie 2011/82/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte wird für nichtig erklärt.
2. Die Wirkungen der Richtlinie 2011/82 werden aufrechterhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die zwölf Monate ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, eine neue, auf die geeignete Rechtsgrundlage, nämlich Art. 91 Abs. 1 Buchst. c AEUV, gestützte Richtlinie in Kraft tritt.
3. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen die Kosten.
4. Das Königreich Belgien, Irland, Ungarn, die Republik Polen, die Slowakische Republik, das Königreich Schweden und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 27. Januar 2012,
Europäische Kommission, vertreten durch T. van Rijn und R. Troosters als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch F. Drexler, A. Troupiotis und K. Zejdová als Bevollmächtigte,
Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Monteiro und E. Karlsson als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Belgien, vertreten durch J.-C. Halleux und T. Materne als Bevollmächtigte im Beistand von S. Rodrigues und F. Libert, avocats,
Irland, vertreten durch E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von N. Travers, BL,
Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér, K. Szíjjártó und K. Molnár als Bevollmächtigte,
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
Slowakische Republik, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk und C. Stege als Bevollmächtigte,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Murrell und S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von J. Maurici und J. Holmes, Barristers,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), L. Bay Larsen, T. von Danwitz und M. Safjan sowie der Richter A. Rosas, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader, des Richters D. Šváby, der Richterin M. Berger und des Richters C. Vajda,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2013,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. September 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, zum einen die Richtlinie 2011/82/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (ABl. L 288, S. 1) für nichtig zu erklären und zum anderen für den Fall der Nichtigerklärung dieser Richtlinie festzustellen, dass ihre Wirkungen als fortgeltend zu betrachten sind.
Rechtlicher Rahmen
AEU-Vertrag
Rz. 2
In Art. 87 AEUV, der zum Dritten Teil Titel V („Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts”) Kapitel 5 („Polizeiliche Zusammenarbeit”) des AEU-Vertrags gehört, heißt es:
„(1) Die Union entwickelt eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der Polizei, des Zolls und anderer auf die Verhütung oder die Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechende Ermittlungen spezialisierter Strafverfolgungsbehörden.
(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen, die Folgendes betreffen:
- Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen;
…”
Rz. 3
Art. 91 Abs. 1 AEUV, der zum Dritten Teil Titel VI („Der Verkehr”) dieses Vertrags gehört, sieht vor:
„Zur Durchführung des Artikels 90 werden das Europäische Parlament und der Rat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen
…
c) Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen;
d) alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften erlassen.”
Richtlinie 2011/82
Rz. 4
In den Erwägungsgründen 1, 6, 7, 8, 22, 23 und 2...