Entscheidungsstichwort (Thema)

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: LANDGERICHT KOELN – DEUTSCHLAND. FREIER WARENVERKEHR – MASSNAHMEN MIT GLEICHER WIRKUNG WIE MENGENMAESSIGE BESCHRAENKUNGEN – AUSSTATTUNG EINES ERZEUGNISSES, DIE DIE FREIE GESTALTUNG DER WIEDERVERKAUFSPREISE BESCHRAENKEN UND FUER DEN VERBRAUCHER IRREFUEHREND SEIN KOENNTE. Freier Warenverkehr ° Mengenmässige Beschränkungen ° Maßnahmen gleicher Wirkung ° Verbot der Einfuhr und des Vertriebs eines Erzeugnisses, dessen Menge je Einzelpackung erhöht wurde, wobei diese Erhöhung auf der Verpackung angegeben ist ° Unzulässigkeit ° Rechtfertigung ° Verbraucherschutz ° Kein Rechtfertigungsgrund (EG-Vertrag, Artikel 30)

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 30 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er einer nationalen Maßnahme entgegensteht, die die Einfuhr und den Vertrieb eines in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vertriebenen Erzeugnisses, dessen Menge je Einzelpackung aus Anlaß einer kurzzeitigen Werbekampagne erhöht wurde und dessen Verpackung den Aufdruck „+10 %” trägt, deshalb verbietet,

  • ° weil diese Ausstattung geeignet sei, beim Verbraucher die Vorstellung hervorzurufen, die Ware werde zum gleichen Preis angeboten wie bisher die Ware in der alten Ausstattung, was dazu führe, daß, falls der Händler den Preis erhöhe, der Verbraucher im Sinne des anwendbaren nationalen Rechts irregeführt werden könne, oder daß, falls der Preis nicht erhöht werde, das Angebot zwar der Erwartung des Verbrauchers entspreche, jedoch dann eine Verletzung des in diesem nationalen Recht enthaltenen Verbots nach sich ziehen könne, den Wiederverkäufern Preise vorzuschreiben,
  • ° weil die neue Ausstattung wegen des Umstands, daß der Balken mit dem Hinweis „+10 %” auf der Verpackung einen grösseren Raum als 10 % der Gesamtfläche einnehme, beim Verbraucher den Eindruck erwecke, das Volumen oder das Gewicht des Erzeugnisses seien in erheblicherem Umfang vergrössert bzw. erhöht als angegeben.

Ein solches Verbot ist nämlich, auch wenn es unterschiedslos für alle Erzeugnisse gilt, geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, da es den Importeur dazu zwingen kann, die Ausstattung seiner Erzeugnisse je nach dem Ort des Inverkehrbringens unterschiedlich zu gestalten, und es kann nicht als notwendig angesehen werden, um zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes gerecht zu werden, da nicht ersichtlich ist, daß die Preise dieser Erzeugnisse erhöht wurden, da sich vielmehr der den Einzelhändlern auferlegte Zwang, ihre Preise nicht zu erhöhen, der zudem für die Verbraucher günstig ist, aus keiner vertraglichen Vereinbarung herleitet und nur während der kurzen Dauer der fraglichen Werbekampagne besteht und da schließlich der Aufdruck „+10 %” nicht geeignet ist, einen verständigen Verbraucher irrezuführen.

 

Normenkette

EGVtr Art. 30 (jetzt Art. 28 EG)

 

Beteiligte

Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e.V

Mars GmbH

 

Tenor

Artikel 30 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er einer nationalen Maßnahme entgegensteht, die die Einfuhr und den Vertrieb eines in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vertriebenen Erzeugnisses, dessen Menge aus Anlaß einer kurzzeitigen Werbekampagne erhöht wurde und dessen Verpackung den Aufdruck „+10 %” trägt, deshalb verbietet,

  1. weil diese Ausstattung geeignet sei, beim Verbraucher die Vorstellung hervorzurufen, die Ware werde zum gleichen Preis angeboten wie bisher die Ware in der alten Ausstattung,
  2. weil die neue Ausstattung beim Verbraucher den Eindruck erwecke, das Volumen oder das Gewicht des Erzeugnisses seien in erheblichem Umfang vergrössert bzw. erhöht.
 

Gründe

1 Das Landgericht Köln (Deutschland) hat mit Beschluß vom 11. November 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 1993, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Artikels 30 des Vertrages zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen einem Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, dem Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e. V. (im folgenden: Kläger), und der Mars GmbH (im folgenden: Beklagte) über die Verwendung einer bestimmten Ausstattung für die Vermarktung von Eiskremriegeln der Marken Mars, Snickers, Bounty und Milky Way.

3 Die Beklagte führt diese Waren aus Frankreich ein, wo sie von einem Unternehmen des amerikanischen Konzerns Mars Inc., Mc Lean, zum Zwecke des europaweiten Vertriebs rechtmässig hergestellt und in einheitlicher Ausstattung verpackt werden.

4 Zur Zeit der für das Ausgangsverfahren erheblichen Ereignisse waren die Eiskremriegel mit einer Verpackung ausgestattet, die den Aufdruck „+10 %” trug. Diese Ausstattung war aus Anlaß einer kurzzeitigen europaweiten Werbekampagne beschlossen worden, in deren Rahmen die Menge jedes Erzeugnisses um 10% erhöht worden war.

5 Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht in § 1 eine Klage auf Unterlassung von Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, die gegen die guten Sitten verstossen, sowie in § 3 eine Klage auf Unterlassung...

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