Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermögensteuerermäßigung, Wohnortverlegung in anderen Mitgliedstaat, Wegzugsbesteuerung

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Gewährung einer Ermäßigung der Vermögensteuer an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der Steuerschuldner während der fünf folgenden Steuerjahre weiterhin dieser Steuer unterliegt.

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

DI VI Finanziaria SAPA di Diego della Valle

DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C. SapA

Administration des contributions en matière d impôts

 

Verfahrensgang

Tribunal administratif (Luxemburg) (Urteil vom 13.07.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 298/23)

 

Tatbestand

„Niederlassungsfreiheit ‐ Art. 49 AEUV ‐ Steuerrecht ‐ Vermögensteuer ‐ Voraussetzungen für die Gewährung einer Vermögensteuerermäßigung ‐ Verlust der Eigenschaft als Vermögensteuerpflichtiger infolge der Verlegung des Sitzes in einen anderen Mitgliedstaat ‐ Beschränkung ‐ Rechtfertigung ‐ Zwingende Gründe des Allgemeininteresses“

In der Rechtssache C-380/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif (Luxemburg) mit Entscheidung vom 13. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juli 2011, in dem Verfahren

DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C. SapA

gegen

Administration des contributions en matière d’impôts

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C. SapA, vertreten durch J.-P. Winandy, avocat,

‐ der luxemburgischen Regierung, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten im Beistand von M. Adams, avocat,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C. SapA (im Folgenden: DIVI), einer Gesellschaft italienischen Rechts mit satzungsmäßigem Sitz in Italien, und der luxemburgischen Steuerverwaltung wegen des Widerrufs der dieser Gesellschaft gewährten Vermögensteuerermäßigung aufgrund der Verlegung des Sitzes der DA. DV. Family Holding Sàrl (im Folgenden: DADV) in einen anderen Mitgliedstaat als das Großherzogtum Luxemburg.

Luxemburgisches Recht

Rz. 3

Das Vermögensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 in der durch das Gesetz vom 21. Dezember 2001 zur Änderung bestimmter Vorschriften im Bereich der direkten und indirekten Steuern (Loi du 21 décembre 2001 portant réforme de certaines dispositions en matière d’impôts directs et indirects, Mémorial A 2001, 157, S. 3312) geänderten Fassung (im Folgenden: VStG) regelt die Vermögensteuer.

Rz. 4

Aus diesem Gesetz ergibt sich, dass Organismen mit kollektivem Charakter dieser direkten Steuer unterworfen sind.

Rz. 5

§ 8a VStG eröffnet für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG genannten Steuerpflichtigen, zu denen die Organismen mit kollektivem Charakter zählen, die Möglichkeit einer Vermögensteuerermäßigung und regelt die Voraussetzungen für deren Gewährung.

Rz. 6

In § 8a VStG heißt es:

„(1) Die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 genannten Steuerpflichtigen, die sich verpflichten, bei der Verwendung des Gewinns eines bestimmten Steuerjahrs in ihre Bilanz einen Rücklageposten aufzunehmen, der während der 5 folgenden Steuerjahre beibehalten wird, erhalten auf Antrag, der mit der Einkommensteuererklärung einzureichen ist, eine Ermäßigung der für dieses Steuerjahr geschuldeten Vermögensteuer. Die Ermäßigung beträgt ein Fünftel der gebildeten Rücklage, übersteigt jedoch nicht die um den Beitrag für den Beschäftigungsfonds erhöhte Körperschaftsteuer, die vor etwaigen Anrechnungen für dasselbe Steuerjahr geschuldet wird. Die Rücklage muss bei der Verwendung des Ergebnisses des Wirtschaftsjahrs, spätestens jedoch vor dem Abschluss des Wirtschaftsjahrs gebildet werden, das auf das Jahr, für das ein Anspruch auf Ermäßigung bestanden hat, folgt.

(3) Wird die Rücklage vor Ende des Fünfjahreszeitraums zu anderen Zwecken als einer Kapitalzuführung verwendet, wird die Vermögensteuer des Steuerpflichtigen für das betroffene Steuerjahr um ein Fünftel des Betrags der verwendeten Rücklage erhöht.

Im Fall eines Zusammenschlusses oder einer Übernahme kann die übernehmende Gesellschaft oder eine andere Gesellschaft der Unternehmensgruppe die in der Bilanz der untergegangenen Gesellschaft vorhandene Rücklage übernehmen, um die Bedingung, d...

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