Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zuständigkeit des Gerichtshofs. Gerichtseigenschaft der vorlegenden Einrichtung. Unabhängigkeit – Obligatorische Gerichtsbarkeit. Nachprüfungsstellen. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Begriff ‚öffentliche Einrichtung’. Öffentliche Stellen – Einbeziehung
Normenkette
AEUV Art. 267; Richtlinie 2004/18/EG Art. 1 Abs. 8, Art. 1 Abs. Art. 52; Richtlinie 89/665/EWG Art. 2
Beteiligte
Consorci Sanitari del Maresme |
Consorci Sanitari del Maresme |
Corporació de Salut del Maresme i la Selva |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 8 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Wirtschaftsteilnehmer” in Unterabs. 2 dieser Bestimmung auch öffentliche Stellen erfasst, die sich somit an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen können, wenn und soweit sie berechtigt sind, auf einem Markt Leistungen gegen Entgelt anzubieten.
2. Art. 52 der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass er zwar bestimmte Erfordernisse hinsichtlich der Festlegung der Bedingungen für die Eintragung der Wirtschaftsteilnehmer in die nationalen amtlichen Verzeichnisse und für die Zertifizierung enthält, doch die Bedingungen für die Eintragung dieser Wirtschaftsteilnehmer in die nationalen amtlichen Verzeichnisse oder für ihre Zulassung zur Zertifizierung sowie die insoweit bestehenden Rechte und Pflichten der öffentlichen Einrichtungen nicht abschließend festlegt. Die Richtlinie 2004/18 ist jedenfalls dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der einerseits nationale öffentliche Stellen, die berechtigt sind, die in der betreffenden Auftragsbekanntmachung angegebenen Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen anzubieten, nicht in diese Verzeichnisse eingetragen oder nicht zertifiziert werden können, während andererseits das Recht, sich an der betreffenden Ausschreibung zu beteiligen, allein den in diese Verzeichnisse eingetragenen oder zertifizierten Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Català de Contractes del Sector Públic (Katalanisches Gericht für Verträge des öffentlichen Sektors, Spanien) mit Entscheidung vom 25. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 23. April 2014, in dem Verfahren
Consorci Sanitari del Maresme
gegen
Corporació de Salut del Maresme i la Selva
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot, C. Vajda und S. Rodin, des Richters A. Arabadjiev, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas, C. G. Fernlund, J. L. da Cruz Vilaça und F. Biltgen,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und D. Loma-Osorio Lerena als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juli 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 8 und Art. 52 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Consorci Sanitari del Maresme (Gesundheitskonsortium des Distrikts Maresme) und der Corporació de Salut del Maresme i la Selva (Gesundheitskörperschaft der Distrikte Maresme und Selva) über eine Entscheidung, mit der diese dem Konsortium die Zulassung zur Teilnahme an einer Ausschreibung für die Vergabe von Leistungen der Kernspintomografie in ihren Behandlungszentren verweigerte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 lautet:
„Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Teilnahme einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Bieter in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privatrechtlichen Bietern verursacht.”
Rz. 4
Art. 1 Abs. 8 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Begriffe ‚Unternehmer’, ‚Lieferant’ und ‚Dienstleistungserbringer’ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung ...