Entscheidungsstichwort (Thema)
Ein irrtümlich in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag über eine nicht umsatzsteuerbare Leistung stellt keine Mehrwertsteuer dar; ein solcher Betrag kann unabhängig vom guten Glauben des Ausstellers berichtigt werden
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betrag, der als Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausgewiesen wird, die eine Person ausstellt, die Dienstleistungen an den Staat erbringt, ist dann nicht als Mehrwertsteuer zu qualifizieren, wenn diese Person irrtümlich annimmt, dass sie diese Dienstleistungen als Selbständiger erbringt, obwohl in Wirklichkeit ein Verhältnis der Unterordnung besteht.
2. Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage verbietet nicht die Rückerstattung eines Betrages, der in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument irrtümlich als Mehrwertsteuer ausgewiesen ist, wenn die fraglichen Dienstleistungen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen und der in Rechnung gestellte Betrag daher nicht als Mehrwertsteuer qualifiziert werden kann.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 21 Nr. 1 Buchst. c
Beteiligte
Verfahrensgang
Dioikitiko Efeteio (Griechenland) (Beschluss vom 31.01.2002) |
Tatbestand
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe c - Abgabenpflichtige - Person, die die Steuer in einer Rechnung ausweist - Steuer, die zu Unrecht von einem Nichtsteuerpflichtigen entrichtet wird und in der von ihm ausgestellten Rechnung ausgewiesen ist
In den verbundenen Rechtssachen C-78/02 bis C-80/02
betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom griechischen Dioikitiko Efeteio Athen (Griechenland) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Elliniko Dimosio
gegen
Maria Karageorgou (C-78/02),
Katina Petrova (C-79/02),
Loukas Vlachos (C-80/02)
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1), insbesondere des Artikels 21 Nummer 1 Buchstabe c dieser Richtlinie, wonach jede Person die Mehrwertsteuer schuldet, die sie in einer Rechnung ausweist,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie der Richter R. Schintgen und V. Skouris, der Richterin N. Colneric und des Richters J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter),
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Apessos und S. Detsis als Bevollmächtigte,
- von Frau Karageorgou, vertreten durch E. Metaxaki und P. Yatagantzidis, dikigori,
- von Frau Petrova und Herrn Vlachos, vertreten durch A. Koutsolampros, dikigoros,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der griechischen Regierung, von Frau Karageorgou und der Kommission in der Sitzung vom 20. März 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Mai 2003
folgendes
Urteil
1.
Das Dioikitiko Efeteio (Oberverwaltungsgericht) Athen (Griechenland) hat mit Beschlüssen vom 31. Januar 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 11. März 2002, gemäß Artikel 234 EG in allen Rechtssachen zwei gleichlautende Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) und insbesondere des in Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe c dieser Richtlinie vorgesehenen Grundsatzes, dass die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Elliniko Dimosio (Hellenischer Staat) und für das griechische Außenministerium tätigen Übersetzern, die die Mehrwertsteuer irrtümlich in Rechnung gestellt haben wollen und deren Rückerstattung verlangen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3.
Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer die Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.
4.
Artikel 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig z...