Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Anforderungen im Bereich des Zugangs zugelassener oder registrierter Zahlungsdienstleister zu Zahlungssystemen. Unanwendbarkeit dieser Anforderungen auf Zahlungssysteme, die ausschließlich aus einer einzigen Unternehmensgruppe angehörenden Zahlungsdienstleistern bestehen. Anwendbarkeit dieser Anforderungen auf Drei-Parteien-Kartenzahlverfahren, die eine Vereinbarung über Co-Branding oder Agentur abgeschlossen haben. Gültigkeit
Normenkette
Richtlinie (EU) 2015/2366 Art. 35 Abs. 1, 2 Unterabs. 1 Buchst. b
Beteiligte
The Lords Commissioners of Her Majesty's Treasury |
Tenor
1. Art. 35 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG, 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG ist dahin auszulegen, dass ein Drei-Parteien-Kartenzahlverfahren, das eine Vereinbarung über Co-Branding mit einem Co-Branding-Partner abgeschlossen hat, nicht von der Inanspruchnahme der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme ausgeschlossen ist und daher nicht den in Art. 35 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Zugangsanforderungen unterworfen ist, wenn dieser Co-Branding-Partner kein Zahlungsdienstleister ist und hinsichtlich des Produktangebots des Co-Brandings keine Zahlungsdienste in diesem Verfahren erbringt. Demgegenüber ist ein Drei-Parteien-Kartenzahlverfahren, das sich für die Erbringung von Zahlungsdiensten eines Agenten bedient, von der Inanspruchnahme dieser Ausnahme ausgeschlossen und somit den in Art. 35 Abs. 1 vorgesehenen Anforderungen unterworfen.
2. Die Prüfung der zweiten Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Art. 35 der Richtlinie 2015/2366 berühren könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Abteilung Queen's Bench [Verwaltungskammer], Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 19. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 2016, in dem Verfahren
The Queen, auf Antrag von:
American Express Company,
gegen
The Lords Commissioners of Her Majesty's Treasury,
Beteiligte:
Diners Club International Limited,
MasterCard Europe SA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund, J.-C. Bonichot, S. Rodin und E. Regan (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der American Express Company, vertreten durch J. Turner, QC, J. Holmes, QC, L. John, Barrister, sowie I. Taylor und H. Ware, Solicitors,
- der MasterCard Europe SA, vertreten durch P. Harrison und S. Kinsella, Solicitors, Rechtsanwälte S. Pitt und J. Bedford,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch D. Robertson als Bevollmächtigten im Beistand von G. Facenna, QC,
- des Europäischen Parlaments, vertreten durch R. van de Westelaken und A. Tamás als Bevollmächtigte,
- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J. Bauerschmidt, I. Gurov und E. Moro als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und Gültigkeit von Art. 35 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG, 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. 2015, L 337, S. 35).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der American Express Company und The Lords Commissioners of Her Majesty's Treasury (Lords Commissioners des Finanzministeriums, Vereinigtes Königreich, im Folgenden: Lords Commissioners) wegen der Voraussetzungen, unter denen die Bestimmungen über den Zugang zugelassener oder registrierter Zahlungsdienstleister zu Zahlungssystemen auf Drei-Parteien-Kartenzahlverfahren anwendbar sind.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EU) 2015/751
Rz. 3
In Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) der Verordnung (EU) 2015/751 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge (ABl. 2015, L 123, S. 1) heißt es:
„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
17. ‚Vier-Parteien-Kartenzahlverfahren’ ein Kartenzahlverfahren, bei dem vom Zahlungskonto eines Zahlers karte...