Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Anwendungsbereich. Gerichtsstandsvereinbarung. Vertragsparteien mit Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat. Vereinbarung der Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für Rechtsstreitigkeiten, die aus diesem Vertrag entstehen. Auslandsbezug
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012; Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 25
Beteiligte
Tenor
Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
ist dahin auszulegen, dass
eine Gerichtsstandsvereinbarung, mit der die in demselben Mitgliedstaat ansässigen Parteien eines Vertrags die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag vereinbaren, unter diese Bestimmung fällt, auch wenn der Vertrag keine weitere Verbindung zu diesem anderen Mitgliedstaat aufweist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-566/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 14. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 26. August 2022, in dem Verfahren
Inkreal s.r.o.
gegen
Dúha reality s.r.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Dúha reality s.r.o., vertreten durch J. Mráz, advokát,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, A. Edelmannová und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Kähr und L. Lanzrein als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Noë und K. Walkerová als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Oktober 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Inkreal s.r.o. und der Dúha reality s.r.o. über die Bestimmung des Gerichts, das für die Entscheidung über eine Zahlungsklage, die auf der Grundlage der Abtretung zweier Forderungen von FD gegen Dúha reality an Inkreal erhoben wurde, örtlich zuständig ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3, 15, 19, 21, 22 und 26 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:
„(3) Die [Europäische] Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln, indem unter anderem der Zugang zum Recht, insbesondere durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen, erleichtert wird. Zum schrittweisen Aufbau eines solchen Raums hat die Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, Maßnahmen zu erlassen, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.
…
(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …
…
(19) Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten sollte die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen, wo nur eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.
…
(21) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in verschiedenen Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. …
(22) Um allerdings die Wirksamkeit von au...