Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: Commissie van Beroep Studiefinanciering – Niederlande. Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 – Freizügigkeit – Begriff des „Arbeitnehmers” – Niederlassungsfreiheit – Studienfinanzierung – Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit – Wohnorterfordernis. 1 Freizuegigkeit – Arbeitnehmer – Begriff – Bestehen eines Arbeitsverhältnisses – Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten – Ehegatte des Geschäftsführers und einzigen Anteilseigners einer Gesellschaft – Einbeziehung (EG-Vertrag, Artikel 48 [nach Änderung jetzt Artikel 39 EG]; Verordnung Nr. 1612/68 des Rates). 2 Freizuegigkeit – Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Studienfinanzierung – Gewährung an die unterhaltsberechtigten Verwandten in absteigender Linie eines Arbeitnehmers aus einem anderen Mitgliedstaat – Wohnorterfordernis – Unzulässigkeit (Verordnung Nr. 1612/68 des Rates, Artikel 7). 3 Freizuegigkeit – Niederlassungsfreiheit – Regelung eines Mitgliedstaats, die die Gewährung einer Studienfinanzierung an die Kinder von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten vom Wohnort in diesem Staat abhängig macht – Diskriminierung der unterhaltsberechtigten Verwandten in absteigender Linie von Selbständigen – Unzulässigkeit (EG-Vertrag, Artikel 52 [nach Änderung jetzt Artikel 43 EG])
Leitsatz (amtlich)
1 Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Artikels 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) und der Verordnung Nr. 1612/68 ist ein Begriff des Gemeinschaftsrechts, der nicht eng auszulegen ist. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten ausser Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, daß sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Der Anerkennung als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Bestimmungen steht nicht entgegen, daß jemand mit dem Geschäftsführer und einzigen Anteilseigner einer Gesellschaft verheiratet ist, sofern er seine Tätigkeit im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ausübt. Denn die personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten, die sich aus der Ehe ergeben, schließen im Rahmen der Unternehmensorganisation das Bestehen eines solchen Unterordnungsverhältnisses, wie es für ein Arbeitsverhältnis typisch ist, nicht aus.
2 Wenn ein Mitgliedstaat die Gewährung einer sozialen Vergünstigung im Sinne des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht davon abhängig machen kann, daß der begünstigte Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in diesem Staat hat, so bezweckt der in diesem Artikel verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls, die Diskriminierung von Kindern, denen der Arbeitnehmer Unterhalt gewährt, zu verhindern. Insofern ist ein im nationalen Recht vorgesehenes Wohnorterfordernis diskriminierend, wenn dadurch die Studienfinanzierung bei Kindern von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten, nicht aber bei Kindern inländischer Arbeitnehmer vom Wohnort abhängig gemacht wird.
Daher kann sich das Kind, für das ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats unterhaltspflichtig ist, der – unter Beibehaltung seines Wohnsitzes in dem Staat, dessen Staatsangehöriger er ist – in einem anderen Mitgliedstaat eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, auf Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 berufen, um eine Studienfinanzierung unter denselben Voraussetzungen wie die Kinder von Staatsangehörigen des Staates der Beschäftigung zu erhalten, ohne daß für dieses Kind ein zusätzliches Erfordernis in bezug auf seinen Wohnort aufgestellt werden dürfte.
3 Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) soll gewährleisten, daß Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit ausüben wollen, wie Inländer behandelt werden; er verbietet jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die den Zugang zu einer solchen Tätigkeit oder ihre Ausübung behindert. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz bezweckt ebenfalls, die Diskriminierung von Kindern, denen der Selbständige Unterhalt gewährt, zu verhindern. Er steht damit einem im nationalen Recht vorgesehenen Wohnorterfordernis entgegen, wenn dadurch die Studienfinanzierung bei Kindern von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten, nicht aber bei Kindern inländischer Arbeitnehmer vom Wohnort abhängig gemacht wird, weil ein solches Erfordernis diskriminierend ist.
Daher hat das Kind, für das ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats unterhaltspflichtig ist, der – unter Beibehaltung seines Wohnsitzes in dem Staat, dessen Staatsangehöriger er ist – in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unter denselben Voraussetzungen wie die Kinder von Staatsangehörigen des Niederlassungsstaats Anspruch auf eine Studienfinanzierung,...