Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsmarke. Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht. Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte. Verletzungsklage. Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit. Gegenstand der Widerklage. Verfahrensvorschriften, die auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind. Grundsatz der Verfahrensautonomie

 

Normenkette

Verordnung (EU) 2017/1001 Art. 124, 128, 129 Abs. 3

 

Beteiligte

LM (Demande reconventionnelle en nullité)

LM

KP

 

Tenor

Art. 124 Buchst. d in Verbindung mit Art. 128 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke

ist dahin auszulegen, dass

eine Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit einer Unionsmarke sämtliche Rechte betreffen kann, die der Inhaber dieser Marke aus ihrer Eintragung ableitet, ohne dass die Widerklage in ihrem Gegenstand durch den Rahmen begrenzt wird, der durch die Verletzungsklage abgesteckt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-654/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 7. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2021, in dem Verfahren

LM

gegen

KP

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und Z. Csehi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von LM, vertreten durch R. Ratajczak, Adwokat,
  • –        von KP, vertreten durch E. Jaroszyńska-Kozłowska, Radca prawny, und Z. Słupicka, Radca prawny,
  • –        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. L. Kalėda und P. Němečková als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 124 Buchst. d in Verbindung mit Art. 128 Abs. 1 und Art. 129 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen LM und KP aufgrund einer Klage wegen Verletzung einer Unionswortmarke und einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit dieser Marke.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4 und 32 der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„(4) … [Es] ist ein Markensystem der [Europäischen] Union erforderlich, das den Unternehmen ermöglicht, in einem einzigen Verfahren Unionsmarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der [Europäischen] Union wirksam sind. Der hier aufgestellte Grundsatz der Einheitlichkeit der Unionsmarke sollte gelten, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.

(32)      Es ist entscheidend, dass sich Entscheidungen über die Gültigkeit und die Verletzung der Unionsmarke wirksam auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken, da nur so widersprüchliche Entscheidungen der Gerichte und des [Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)] und eine Beeinträchtigung des einheitlichen Charakters der Unionsmarke vermieden werden können. Die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1)] sollten für alle gerichtlichen Klagen im Zusammenhang mit den Unionsmarken gelten, es sei denn, dass die vorliegende Verordnung davon abweicht.“

Rz. 4

Art. 1 („Unionsmarke“) Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Die Unionsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Union: sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Union untersagt werden. Dieser Grundsatz gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist.“

Rz. 5

Nach Art. 6 („Erwerb der Unionsmarke“) dieser Verordnung wird die Unionsmarke durch Eintragung erworben.

Rz. 6

Art. 7 („Absolute Eintragungshindernisse“) Abs. 1 und 2 der Verordnung bestimmt:

„(1)      Von der Eintragung ausgeschlossen sind

b)      Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;

c)      Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können;

d)      Marken, die ausschließlich a...

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