Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge. Antrag auf subsidiären Schutz. Rechtmäßigkeit des nationalen Verfahrens bei der Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz, der nach Ablehnung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt wird. Anspruch auf rechtliches Gehör. Umfang. Anspruch auf eine mündliche Anhörung. Recht, Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen

 

Normenkette

Richtlinie 2004/83/EG

 

Beteiligte

M

Attorney General

Ireland

Minister for Justice and Equality

 

Tenor

Der Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes gilt, verlangt grundsätzlich nicht, dass, wenn eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Antrags auf subsidiären Schutz vorsieht, der Person, die subsidiären Schutz beantragt, das Recht auf eine mündliche Anhörung über ihren Antrag und das Recht, bei dieser Anhörung Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen, gewährt wird.

Eine mündliche Anhörung ist jedoch durchzuführen, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, die mit den der zuständigen Behörde vorliegenden Anhaltspunkten oder dem persönlichen oder allgemeinen Rahmen des Antrags auf subsidiären Schutz zusammenhängen, erforderlich ist, um diesen Antrag in voller Kenntnis der Sache zu prüfen; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 24. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2014, in dem Verfahren

M

gegen

Minister for Justice and Equality,

Ireland,

Attorney General

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von M, vertreten durch B. Burns und S. Man, Solicitors, sowie durch I. Whelan und P. O'Shea, BL,
  • Irlands, vertreten durch E. Creedon, J. Davis und J. Stanley als Bevollmächtigte im Beistand von N. Butler, SC, und K. Mooney, BL,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F.-X. Bréchot als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Mai 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Rahmen des Verfahrens der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen M, einem ruandischen Staatsangehörigen, einerseits und dem Minister for Justice and Equality (Minister für Justiz und Gleichberechtigung, Irland) (im Folgenden: Minister), Irland und dem Attorney General andererseits wegen der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz, den M bei den irischen Behörden gestellt hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/83

Rz. 3

Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 2004/83 bestimmte:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

e) ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz’ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

…”

Rz. 4

Art. 4 „Prüfung der Ereignisse und Umstände”) der Richtlinie 2004/83 laute...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge