Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz. Mindestnormen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus. Zusammenarbeit des Mitgliedstaats mit dem Antragsteller bei der Prüfung der für seinen Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte. Umfang. Generelle Glaubwürdigkeit eines Antragstellers. Prüfungskriterien. Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung des internationalen Schutzes. Angemessene Prüfung. Gerichtliche Kontrolle. Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Effektivitätsgrundsatz. Angemessene Frist für den Erlass einer Entscheidung. Folgen eines eventuellen Verstoßes

 

Normenkette

Richtlinie 2004/83/EG Art. 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 Buchst. e; Richtlinie 2005/85/EG Art. 8 Abs. 2-3, Art. 39, 23 Abs. 2

 

Beteiligte

International Protection Appeals Tribunal u.a. (Attentat au Pakistan)

X

International Protection Appeals Tribunal

Minister for Justice and Equality

Irland

Attorney General

 

Tenor

1.Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes

ist dahin auszulegen, dass

  • die in dieser Bestimmung vorgesehene Pflicht zur Zusammenarbeit der Asylbehörde vorschreibt, zum einen genaue und aktuelle Informationen über alle relevanten Tatsachen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsland einer Asyl und internationalen Schutz beantragenden Person sowie zum anderen ein rechtsmedizinisches Gutachten über deren psychische Gesundheit einzuholen, wenn Anhaltspunkte für psychische Gesundheitsprobleme vorliegen, die möglicherweise auf ein in diesem Land aufgetretenes traumatisierendes Ereignis zurückzuführen sind, und wenn sich die Heranziehung eines solchen Gutachtens als erforderlich oder maßgeblich erweist, um zu beurteilen, inwieweit der Antragsteller tatsächlich internationalen Schutzes bedarf, sofern die Art und Weise der Heranziehung eines solchen Gutachtens u. a. mit den von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechten in Einklang steht;
  • die im Rahmen der Ausübung einer im nationalen Recht vorgesehenen zweitinstanzlichen gerichtlichen Kontrolle erfolgte Feststellung einer Verletzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Pflicht zur Zusammenarbeit für sich genommen nicht zwingend zur Aufhebung der Entscheidung führt, mit der ein Rechtsbehelf gegen eine abschlägige Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird, da demjenigen, der internationalen Schutz beantragt, auferlegt werden kann, nachzuweisen, dass die den Rechtsbehelf zurückweisende Entscheidung anders hätte ausfallen können, wenn diese Verletzung nicht gegeben wäre.

2.Das Unionsrecht, insbesondere Art. 23 Abs. 2 und Art. 39 Abs. 4 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ist dahin auszulegen, dass

  • die Zeitspannen, die zwischen der Einreichung des Asylantrags auf der einen sowie dem Erlass der Entscheidungen der Asylbehörde und des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts auf der anderen Seite verstrichen sind, nicht durch nationale legislative Änderungen gerechtfertigt werden können, die während dieser Zeit eintraten, und
  • die Unangemessenheit der einen oder anderen dieser Zeitspannen in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte dafür, dass die überlange Dauer des Verwaltungs

    -

    oder Gerichtsverfahrens Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits gehabt hat, für sich genommen nicht zur Aufhebung der Entscheidung des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts führen kann.

3.Art. 4 Abs. 5 Buchst. e der Richtlinie 2004/83

ist dahin auszulegen, dass

eine im ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz enthaltene Falschaussage, die vom Asylbewerber erläutert und zurückgenommen wurde, sobald sich die Gelegenheit dazu bot, für sich genommen nicht verhindern kann, dass dessen generelle Glaubwürdigkeit im Sinne dieser Bestimmung festgestellt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-756/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 23. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Dezember 2021, in dem Verfahren

X

gegen

International Protection Appeals Tribunal,

Minister for Justice and Equality,

Irland,

Attorney General

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richter P. G. Xuereb, T. von Danwitz und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        von X, vertreten durch B. Burns, Solicitor, Re...

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