Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschaftsteuer, Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass er der Erhebung einer Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht. Eine solche Steuer kann nicht nach Art. 6 dieser Richtlinie gerechtfertigt werden.

 

Normenkette

EGRL 7/2008 Art. 5 Abs. 2, Art. 6

 

Beteiligte

I. Gielen

Isabelle Gielen

Ministerraad

 

Verfahrensgang

Grondwettelijk Hof (Belgien) (Urteil vom 16.05.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 226/5)

 

Tatbestand

„Steuerwesen ‐ Richtlinie 2008/7/EG ‐ Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 ‐ Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital ‐ Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenspapiere oder entmaterialisierte Wertpapiere“

In der Rechtssache C-299/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Belgien) mit Entscheidung vom 16. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2013,

Isabelle Gielen

gegen

Ministerraad

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász, und D. Šváby (Berichterstatter)

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Frau Gielen, vertreten durch P. Malherbe, avocat,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 46, S. 11).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Gielen und dem Ministerraad (Ministerrat) über die Steuer auf die Umwandlung von Inhaberpapieren in entmaterialisierte Wertpapiere oder in Namenspapiere.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2 und 9 der Richtlinie 2008/7 lauten:

„(2) Die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, d. h. die Gesellschaftssteuer (Steuer auf die Einbringungen in Gesellschaften), die Wertpapiersteuer und die Steuer auf Umstrukturierungen, unabhängig davon, ob diese eine Kapitalerhöhung mit sich bringen, sind Ursache von Diskriminierungen, Doppelbesteuerungen und Unterschiedlichkeiten, die den freien Kapitalverkehr behindern. Dasselbe gilt für andere indirekte Steuern mit denselben Merkmalen wie die Kapitalsteuer und die Wertpapiersteuer.

(9) Außer der Gesellschaftssteuer sollten keine indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhoben werden …“

Rz. 4

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie regelt die Erhebung indirekter Steuern auf

a) Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften;

b) Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften;

c) die Ausgabe bestimmter Wertpapiere und Obligationen.“

Rz. 5

In Art. 3 dieser Richtlinie ist eine Reihe von Vorgängen aufgeführt, die für die Zwecke der Richtlinie als Kapitalzuführungen gelten.

Rz. 6

Art. 5 („Keinen indirekten Steuern unterliegende Vorgänge“) der Richtlinie 2008/7 sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten erheben von Kapitalgesellschaften keinerlei indirekte Steuern auf

a) Kapitalzuführungen;

b) Darlehen oder Leistungen im Rahmen der Kapitalzuführungen;

c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Kapitalgesellschaft auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann;

d) Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung einer Kapitalgesellschaft und insbesondere

i) die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Art;

ii) die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des Sitzes einer Kapitalgesellschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen;

iii) die Änderung des Gesellschaftsgegenstands einer Kapitalgesellschaft;

iv) die Verlängerung des Bestehens einer Kapitalgesellschaft;

e) die Umstrukturierungen gemäß Artikel 4.

(2) Die Mitgliedstaaten erheben keine indirekte Steuer irgendwelcher Art

a) auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten;

b) auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassu...

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