Entscheidungsstichwort (Thema)
Nationale Regelung, die die Einfuhr von Blutprodukten verbietet, die nicht aus gänzlich unbezahlt erfolgten Blutspenden stammen
Normenkette
EG Art. 28, 30
Beteiligte
Tenor
Art. 28 EG in Verbindung mit Art. 30 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einfuhr von Blut oder Blutbestandteilen aus einem anderen Mitgliedstaat nur unter der auch für inländische Produkte geltenden Bedingung zulässig ist, dass die Spender des Blutes, aus dem diese Produkte gewonnen wurden, nicht nur keine Bezahlung, sondern auch keine Erstattung der Aufwendungen erhalten haben, die ihnen im Rahmen dieser Spenden entstanden sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 19. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2009, in dem Verfahren
Humanplasma GmbH
gegen
Republik Österreich
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.-J. Kasel (Berichterstatter), A. Borg Barthet und M. Ilešič sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Humanplasma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Graziani-Weiss,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und Z. Tóth als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga und G. Wilms als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28 EG und 30 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Humanplasma GmbH (im Folgenden: Humanplasma), einer Gesellschaft österreichischen Rechts, und der Republik Österreich wegen des gesetzlichen Verbots der Einfuhr von Erythrozythenkonzentraten aus Blutspenden, die nicht gänzlich unbezahlt erfolgt sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 22 und 23 der Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. L 33, S. 30) lauten:
„(22) Gemäß Artikel 152 Absatz 5 des Vertrags müssen die Bestimmungen dieser Richtlinie die einzelstaatlichen Regelungen über Blutspenden unberührt lassen. Nach Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a) des Vertrags können die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert werden, strengere Schutzmaßnahmen für die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut und Blutbestandteile beizubehalten oder einzuführen.
(23) Freiwillige, unbezahlte Blutspenden sind ein Faktor, der zu hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Blut und Blutbestandteile und somit zum Gesundheitsschutz beitragen kann. Die diesbezüglichen Bestrebungen des Europarates sollten unterstützt und alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden durch geeignete Maßnahmen und Initiativen sowie dadurch zu fördern, dass Blutspender größere öffentliche Anerkennung erfahren; damit würde auch die Selbstversorgung der Gemeinschaft verbessert. Die Definition des Europarates für freiwillige, unbezahlte Blutspenden sollte berücksichtigt werden.”
Rz. 4
Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/98 sieht vor:
„Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht, in ihrem Hoheitsgebiet strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen, sofern diese in Einklang mit dem Vertrag stehen.
Insbesondere kann ein Mitgliedstaat Anforderungen für freiwillige, unbezahlte Blutspenden einführen einschließlich des Verbots oder der Beschränkung der Einfuhren von Blut oder Blutbestandteilen, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten und das in Artikel 20 Absatz 1 genannte Ziel zu erreichen, soweit dies in Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags geschieht.”
Rz. 5
Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um freiwillige, unbezahlte Blutspenden zu fördern, damit erreicht wird, dass Blut und Blutbestandteile so weit wie möglich aus solchen Spenden stammen.”
Rz. 6
Art. 21 der Richtlinie sieht vor:
„Die Blutspendeeinrichtungen gewährleisten, dass jede Spende von Blut und Blutbestandteilen gemäß den Anforderungen in Anhang IV getestet wird.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Blut und Blutbestandteile, die in di...