Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Humanarzneimittel. Öffentlicher Auftrag zur Versorgung eines Krankenhauses. Nationale Regelung, die eine prioritäre Versorgung der Krankenhäuser mit Arzneimitteln vorschreibt, die aus nationalem Plasma hergestellt wurden. Grundsatz der Gleichbehandlung
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG Art. 2, 23 Abs. 2, 8; AEUV Art. 34, 36
Beteiligte
Splošna Bolnišnica Murska Sobota |
Tenor
Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 und 8 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sowie Art. 34 AEUV in Verbindung mit Art. 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Klausel in Verdingungsunterlagen eines öffentlichen Auftrags entgegenstehen, wonach im Einklang mit den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, die aus Plasma gewonnenen Arzneimittel, die Gegenstand des fraglichen öffentlichen Auftrags sind, aus Plasma hergestellt werden müssen, das in diesem Mitgliedstaat gewonnen worden ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Državna revizijska komisija za revizijo postopkov oddaje javnih naročil (Staatliche Kommission für die Überprüfung öffentlicher Auftragsvergabeverfahren, Slowenien) mit Entscheidung vom 14. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2015, in dem Verfahren
Medisanus d.o.o.
gegen
Splošna Bolnišnica Murska Sobota
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Medisanus d.o.o., vertreten durch A. Godec, odvetnik, G. Backmann und M. Žlebnik,
- der slowenischen Regierung, vertreten durch A. Grum als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braga da Cruz, A. Sipos und B. Rous Demiri als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Dezember 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 und Art. 23 Abs. 2 und 8 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114, und Berichtigungen ABl. 2004, L 351, S. 44, und ABl. 2008, L 198, S. 74) in Verbindung mit Art. 83 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2002/98 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 (ABl. 2003, L 33, S. 30) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83), Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/98 und Art. 18 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Medisanus d.o.o. und dem Splošna Bolnišnica Murska Sobota (Allgemeines Krankenhaus Murska Sobota, Slowenien, im Folgenden: Krankenhaus) über die Rechtmäßigkeit einer Klausel in den Verdingungsunterlagen zu einem vom Krankenhaus eingeleiteten Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über die Lieferung von Arzneimitteln.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/18
Rz. 3
Die Richtlinie 2004/18, die in zeitlicher Hinsicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist, wurde durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 65) mit Wirkung zum 18. April 2016 aufgehoben. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 definierte öffentliche Aufträge als „zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie”.
Rz. 4
Art. 2 „Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen”) dieser Richtlinie schrieb vor, dass die öffentlichen Auftraggeber alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nicht diskriminierend behandeln und in transparenter Weise vorgehen müssen.
Rz. 5
Art. 23 dieser Richtlinie sah vor:
„…
(2) Die technischen Spezifikationen müssen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein und dürfen die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern.
…
(8) Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifi...