Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung. Visapolitik. Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Verweigerung eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt durch den Konsul. Verpflichtung eines Mitgliedstaats, sicherzustellen, dass eine Entscheidung über die Verweigerung eines solchen Visums von einem Gericht überprüft werden kann
Normenkette
Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21 Abs. 2a, Art. 47
Beteiligte
Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N |
Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N |
Tenor
1. Art. 21 Abs. 2a des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auf einen Drittstaatsangehörigen, dem ein Visum für den längerfristigen Aufenthalt verweigert wurde, keine Anwendung findet.
2. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 34 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ist dahin auszulegen, dass es die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ein Rechtsbehelfsverfahren gegen Entscheidungen über die Verweigerung von Visa zu Studienzwecken im Sinne dieser Richtlinie vorzusehen, dessen Ausgestaltung – unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Sache der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist und bei dem in irgendeinem Stadium ein gerichtlicher Rechtsbehelf gewährleistet sein muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Antrag auf ein nationales Visum für einen längerfristigen Aufenthalt zu Studienzwecken in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 4. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Dezember 2019, in dem Verfahren
M.A.
gegen
Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von M.A., vertreten durch B. Grohman, adwokat,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Pagáčová als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, A. Stobiecka-Kuik und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 Abs. 2a des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. 2013, L 182, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: SDÜ) und von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M.A. und dem Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N. (Konsul der Republik Polen, im Folgenden: Konsul) wegen dessen Weigerung, M.A. ein nationales Visum für den längerfristigen Aufenthalt zu erteilen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
SDÜ
Rz. 3
Art. 18 SDÜ bestimmt:
„(1) Visa für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen (‚Visa für den längerfristigen Aufenthalt’) sind nationale Visa, die von einem der Mitgliedstaaten gemäß seinen inn...