Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Wettbewerb. Kartelle. Von der nationalen Wettbewerbsbehörde verhängte Sanktion. Festsetzung der Höhe der Geldbuße. Berücksichtigung des in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Umsatzes. An die nationale Wettbewerbsbehörde gerichteter Antrag auf Berücksichtigung eines anderen Umsatzes. Ablehnung durch die Wettbewerbsbehörde. Tatsächliche wirtschaftliche Situation des betreffenden Unternehmens. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

AEUV Art. 101

 

Beteiligte

Zenith Media Communications

Zenith Media Communications SRL

Consiliul Concurenţei

 

Tenor

Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach eine nationale Wettbewerbsbehörde verpflichtet ist, bei der Berechnung der gegen ein Unternehmen wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV verhängten Geldbuße unter allen Umständen den in der Gewinn- und Verlustrechnung dieses Unternehmens ausgewiesenen Umsatz zu berücksichtigen, ohne dabei die Möglichkeit zur Prüfung von Nachweisen zu haben, die von diesem Unternehmen als Beleg dafür vorgelegt wurden, dass dieser Umsatz nicht seine tatsächliche wirtschaftliche Situation wiedergebe und daher ein anderer, diese Situation wiedergebender Betrag als Umsatz zu berücksichtigen sei, sofern diese Nachweise genau und dokumentiert sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 1. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juni 2021, in dem Verfahren

Zenith Media Communications SRL

gegen

Consiliul Concurenţei

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Zenith Media Communications SRL, vertreten durch V. Berea, R. Ionescu, P. Partene, A. I. Rusan, Avocaţi, und A. Komives, Ügyvéd,
  • des Consiliul Concurenţei, vertreten durch C. Butacu und B. Chiriţoiu als Bevollmächtigte,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Aiello, Avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch I. V. Rogalski und L. Wildpanner als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 101 AEUV im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zenith Media Communications SRL und dem Consiliul Concurenţei (Wettbewerbsrat, Rumänien) wegen einer Entscheidung, mit der gegen diese Gesellschaft eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften verhängt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 1/2003

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:

„Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Artikels [101] Absatz 1 [AEUV] an, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen können, so wenden sie auch Artikel [101 AEUV] auf diese Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen an. …”

Rz. 4

Art. 5 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sind für die Anwendung der Artikel [101] und [102 AEUV] in Einzelfällen zuständig. Sie können hierzu von Amts wegen oder aufgrund einer Beschwerde Entscheidungen erlassen, mit denen

  • die Abstellung von Zuwiderhandlungen angeordnet wird,
  • einstweilige Maßnahmen angeordnet werden,
  • Verpflichtungszusagen angenommen werden oder
  • Geldbußen, Zwangsgelder oder sonstige im innerstaatlichen Recht vorgesehene Sanktionen verhängt werden.

Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach den ihnen vorliegenden Informationen nicht gegeben, so können sie auch entscheiden, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden.”

Rz. 5

Nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Europäische Kommission gegen Unternehmen wegen Zuwiderhandlungen gegen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Union Geldbußen verhängen. Diese Geldbußen dürfen 10 % des vom Unternehmen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.

Rz. 6

Art. 35 Abs. 1 dieser ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge