Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaft. EAGFL. Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums. Vorruhestandsbeihilfe. Person, die einen Betrieb abgibt und zum Zeitpunkt der Übergabe das 55. Lebensjahr vollendet, aber das normale Ruhestandsalter noch nicht erreicht hat. Begriff ‚normales Ruhestandsalter’. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ein in Abhängigkeit von dem Geschlecht sowie, bei Frauen, der Zahl der aufgezogenen Kinder unterschiedliches Ruhestandsalter festsetzen. Allgemeine Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1257/1999
Beteiligte
Tenor
Es ist mit dem Unionsrecht und seinen allgemeinen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung nicht zu vereinbaren, dass das „normale Ruhestandsalter” im Sinne von Art. 11 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen nach den Bestimmungen des innerstaatlichen Rentensystems des betreffenden Mitgliedstaats über das für den Anspruch auf Altersrente erforderliche Alter in Abhängigkeit vom Geschlecht der die Beihilfe für den Vorruhestand in der Landwirtschaft beantragenden Person und, was weibliche Antragsteller betrifft, nach Maßgabe der Zahl der von der Betreffenden aufgezogenen Kinder unterschiedlich festgesetzt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 12. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2011, in dem Verfahren
Blanka Soukupová
gegen
Ministerstvo zemědělství
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis (Berichterstatter), J. Malenovský und D. Šváby,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Soukupová, vertreten durch J. Tomášek, advokát,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, G. von Rintelen und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Oktober 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. L 160, S. 80, und Berichtigung in ABl. 2000, L 302, S. 72) sowie der allgemeinen Unionsrechtsgrundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Soukupová, einer Landwirtin, und dem Ministerstvo zemědělství (Landwirtschaftsministerium) über die Zurückweisung ihres Antrags auf Aufnahme in das Programm zur Förderung der vorzeitigen Beendigung der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24) bestimmt:
„Diese Richtlinie findet Anwendung
auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten:
…
…
- auf Sozialhilferegelungen, soweit sie die unter Buchstabe a) genannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen.”
Rz. 4
Art. 7 der Richtlinie 79/7 sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie steht nicht der Befugnis der Mitgliedstaaten entgegen, Folgendes von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen:
- die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen;
- die Vergünstigungen, die Personen, welche Kinder aufgezogen haben, auf dem Gebiet der Altersversicherung gewährt werden; den Erwerb von Ansprüchen auf Leistungen im Anschluss an Zeiträume der Beschäftigungsunterbrechung wegen Kindererziehung;
…
(2) Die Mitgliedstaaten überprüfen in regelmäßigen Abständen die aufgrund des Absatzes 1 ausgeschlossenen Bereiche, um festzustellen, ob es unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung in dem Bereich gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten.”
Rz. 5
Im 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1257/1999 heißt es, der vorzeitige Ruhestand in der Landwirtschaft sollte ge...