Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Diskriminierungsverbot. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Ehrenamtliche Richter und Staatsanwälte und Berufsrichter und -staatsanwälte. Maßnahmen zur Ahndung des missbräuchlichen Einsatzes befristeter Arbeitsverträge. Befristete Arbeitsverträge. Verfahren zur Stabilisierung der Amtsausübung. Verzicht ex lege auf jegliche Ansprüche für den Zeitraum vor der Stabilisierung der Amtsausübung. Ersatz von Schäden, die sich aus der unterbliebenen angemessenen Umsetzung des Unionsrechts ergeben
Normenkette
EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge §§ 4-5
Beteiligte
Presidenza del Consiglio dei ministri u. a. (Rétribution des magistrats honoraires) |
Presidenza del Consiglio dei ministri |
Ministero della Giustizia |
Ministero dell’Economia e delle Finanze |
Tenor
Das vom Giudice di pace di Fondi (Friedensgericht Fondi, Italien) mit Entscheidung vom 18. August 2022 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.
Tatbestand
In der Rechtssache C-548/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Giudice di pace di Fondi (Friedensgericht Fondi, Italien) mit Entscheidung vom 18. August 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2022, in dem Verfahren
M. M.
gegen
Presidenza del Consiglio dei ministri,
Ministero della Giustizia,
Ministero dell’Economia e delle Finanze
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Di Bella, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2024,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von M. M., vertreten durch G. Falso und E. Iorio, Avvocati,
- – der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca und F. Sclafani, Avvocati dello Stato,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Recchia als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Februar 2024
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 288 AEUV, der Art. 17, 31, 34 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9), von Paragraf 4 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit) im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) sowie von Paragraf 4 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge) im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M. M., einer stellvertretenden ehrenamtlichen Staatsanwältin, auf der einen Seite und der Presidenza del Consiglio dei ministri (Präsidium des Ministerrats, Italien), dem Ministero della Giustizia (Justizministerium, Italien) sowie dem Ministero dell’Economia e delle Finanze (Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, Italien) auf der anderen Seite über den Antrag von M. M. auf Zahlung von Beträgen, die ihr wegen ihrer Ausübung des Amtes eines ehrenamtlichen Richters bzw. Staatsanwalts geschuldet sein sollen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit
Rz. 3
Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit bestimmt:
„Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.“
Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge
Rz. 4
Paragraf 2 („Anwendungsbereich“) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge sieht vor:
„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“
Rz. 5
In Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge heißt es:
„Befristet beschäftigte Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren D...