Entscheidungsstichwort (Thema)
Land- und Forswirtschaft, Pauschalregelung für Land- und Forstwirte, Pauschalierende Landwirte, Begriff der Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er abschließend regelt, wann ein Mitgliedstaat einen landwirtschaftlichen Erzeuger von der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ausnehmen kann.
2. Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen festgestellt wird, dass sie als Teilnehmer an der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger erheblich mehr erstattet bekommen, als sie im Fall der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Mehrwertsteuerregelung erstattet bekämen, keine Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne dieser Vorschrift darstellen können.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 296 Abs. 2
Beteiligte
Shields & Sons Partnership |
Commissioners for HM Revenue and Customs |
Verfahrensgang
Upper Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 10.05.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 260/30) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuern ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 296 Abs. 2 ‐ Art. 299 ‐ Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ‐ Ausschluss von der gemeinsamen Pauschalregelung ‐ Voraussetzungen ‐ Begriff ‚Gruppe landwirtschaftlicher Erzeuger‘“
In der Rechtssache C-262/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Oberverwaltungsgericht [Kammer für ‐ u. a. ‐ Steuersachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 10. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Mai 2016, in dem Verfahren
Shields & Sons Partnership
gegen
Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2017
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Shields & Sons Partnership, vertreten durch G. Edwards im Beistand von M. C. P. Thomas, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Brown und J. Kraehling als Bevollmächtigte im Beistand von R. Chapman, Barrister,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung, R. Lyal und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2017
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 296 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Shields & Sons Partnership und den Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (Steuer- und Zollverwaltung, Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: Steuerverwaltung) wegen der von Letzteren vorgenommenen Aufhebung der Shields & Sons erteilten Bescheinigung über die Anwendung der gemeinsamen Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger (im Folgenden: Pauschalregelung).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Titel XII der Mehrwertsteuerrichtlinie definiert die Sonderregelungen der Besteuerung mit der Mehrwertsteuer. Kapitel 2 dieses Titels, das die Art. 295 bis 305 dieser Richtlinie umfasst, betrifft die Pauschalregelung.
Rz. 4
Art. 296 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der Sonderregelung des Kapitels 1 auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung nach diesem Kapitel anwenden.
(2) Jeder Mitgliedstaat kann bestimmte Gruppen landwirtschaftlicher Erzeuger sowie diejenigen landwirtschaftlichen Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Bestimmungen des Artikels 281 keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten mit sich bringt, von der Pauschalregelung ausnehmen.
(3) Jeder Pauschallandwirt hat nach den von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten und Voraussetzungen das Recht, sich für die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Bestimmungen des Artikels 281 zu entscheiden.“
Rz. 5
Art. 297 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten legen bei Bedarf Pauschalausgleich-Prozentsätze fest. Sie können...