Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Anwendungsbereich. Begriff ‚Geschäftsverkehr’. Öffentliche Stelle, die als Gläubigerin eines Unternehmens handelt. Ausschluss. Zum Zweck des Erbnießbrauchs erfolgte Überlassung einer Immobilie durch eine öffentliche Stelle an ein Unternehmen gegen Zahlung einer jährlichen Gebühr

 

Normenkette

Richtlinie 2011/7/EU

 

Beteiligte

New Media Development & Hotel Services

Skarb Państwa – Starosta Nyski

New Media Development & Hotel Services sp. z o.o

 

Tenor

Der Begriff „Geschäftsverkehr” im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass er nicht den Fall erfasst, dass eine öffentliche Stelle von einem Unternehmen, dessen Gläubigerin diese öffentliche Stelle ist, als Entgelt für den Erbnießbrauch an einem Grundstück eine Gebühr erhebt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Opolu (Regionalgericht Opole, Polen) mit Entscheidung vom 10. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2020, in dem Verfahren

Skarb Państwa – Starosta Nyski

gegen

New Media Development & Hotel Services sp. z o.o.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Neunten Kammer sowie der Richter S. Rodin und N. Piçarra (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Brauhoff und G. Gattinara als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2000, L 200, S. 35) sowie von Art. 2 Nr. 1 und Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skarb Państwa – Starosta Nyski (Fiskus – Landrat des Landkreises Nysa, Polen) (im Folgenden: Fiskus) und der New Media Development & Hotel Services sp. z o.o. (im Folgenden: New Media) in Bezug auf Zinsen wegen Verzugs bei der Zahlung einer jährlichen Gebühr, die dem Fiskus als Entgelt für den Erbnießbrauch an einem New Media überlassenen Grundstück geschuldet wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2011/7

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 3, 8, 9, 14 und 23 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„(3) Viele Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Wirtschaftsteilnehmern einerseits und zwischen Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Stellen andererseits werden später als zum vertraglich vereinbarten oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegten Zeitpunkt getätigt. Trotz Lieferung der Waren oder Erbringung der Leistungen werden viele Rechnungen erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen. Ein derartiger Zahlungsverzug wirkt sich negativ auf die Liquidität aus und erschwert die Finanzbuchhaltung von Unternehmen. Es beeinträchtigt außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, wenn der Gläubiger aufgrund eines Zahlungsverzugs Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen muss. Das Risiko solcher Beeinträchtigungen nimmt in Zeiten eines Wirtschaftsabschwungs, wenn der Zugang zu Finanzmitteln besonders schwierig ist, erheblich zu.

(8) Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie sollte auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt sein. Diese Richtlinie sollte weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, z. B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften, umfassen. …

(9) Diese Richtlinie sollte den gesamten Geschäftsverkehr unabhängig davon regeln, ob er zwischen privaten oder öffentlichen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen erfolgt, da öffentliche Stellen in großem Umfang Zahlungen an Unternehmen leisten. …

(14) Im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsvorschriften der Union sollte für die Zwecke dieser Richtlinie die in der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste [(ABl. 2004, L 134, S. 1)] und die in der Richtlinie...

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