Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde. Wirksames Rechtsbehelfsverfahren. Wirksamkeit der Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens. Zeitliche Wirkungen einer Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit der eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde aufgehoben wird. Möglichkeit, eine Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde rückwirkend aufzuheben. Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
Normenkette
Richtlinie 2002/21/EG Art. 4 Abs. 1
Beteiligte
Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel |
Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej |
Petrotel sp. z o.o. w Płocku |
Tenor
Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Sätze 1 und 3 sowie Unterabs. 2 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 47 der Charta ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde befasst ist, diese Entscheidung rückwirkend aufheben können muss, wenn es der Auffassung ist, dass dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes für das Unternehmen erforderlich ist, das den Rechtsbehelf eingelegt hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberster Gerichtshof, Polen) mit Entscheidung vom 18. Februar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2015, in dem Verfahren
Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej,
Petrotel sp. z o.o. w Płocku
gegen
Polkomtel sp. z o.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej, vertreten durch L. Ochniewicz, radca prawny,
- der Petrotel sp. z o.o. w Płocku, vertreten durch K. Stompel, adwokat,
- der Polkomtel sp. z o.o., vertreten durch E. Barembruch, radca prawny,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, J. Hottiaux und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Sätze 1 und 3 sowie Unterabs. 2 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej (Präsident des Amtes für elektronische Kommunikation, im Folgenden: Präsident des UKE) und der Petrotel sp. z o.o. w Płocku (im Folgenden: Petrotel) auf der einen Seite und der Polkomtel sp. z o.o. auf der anderen Seite wegen einer Entscheidung des Präsidenten des UKE im Rahmen einer Streitigkeit zwischen diesen beiden Unternehmen wegen der von Polkomtel verlangten Vergütungssätze für die Anrufzustellung in ihrem Mobilfunknetz.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 4 der Rahmenrichtlinie, der Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) betrifft, sieht in Abs. 1 vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze und/oder -dienste, der von einer Entscheidung einer [NRB] betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Diese Stelle, die auch ein Gericht sein kann, muss über angemessenen Sachverstand verfügen, um ihrer Aufgabe wirksam gerecht zu werden. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind.
Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt die Entscheidung der [NRB] wirksam, sofern nicht nach Maßgabe des nationalen Rechts einstweilige Maßnahmen erlassen werden.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 4
In einem Verfahren, das dem Ausgangsverfahren vorausging, erlie...