Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Vorabentscheidung: Arbeitsgericht Bielefeld. Deutschland. Freizügigkeit. Wehrdienst. Soziale Vergünstigungen. Freizuegigkeit. Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Begriff. Regelung eines Mitgliedstaats, wonach die eigenen Staatsangehörigen während des Ruhens ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst Anspruch auf die Weiterzahlung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zu einer zusätzlichen Versorgung haben. Vergünstigung, die nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1612/68 fällt, da sie gewährt wird, um die Nachteile des Wehrdienstes auszugleichen. Vergünstigung, auf die die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten keinen Anspruch haben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter sozialen Vergünstigungen im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sind alle Vergünstigungen zu verstehen, die ° ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht ° den inländischen Arbeitnehmern wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnortes im Inland allgemein gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern.

2. Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist dahin auszulegen, daß ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und in diesem seinen Wehrdienst ableistet und dessen Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaates deshalb ruht, keinen Anspruch auf Weiterentrichtung der Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung, der er im Beschäftigungsmitgliedstaat angeschlossen ist, zu den gleichen Bedingungen, als ob er arbeiten würde, hat, selbst wenn dieser Staat seinen Staatsangehörigen unter den gleichen Voraussetzungen diesen Anspruch einräumt.

Die Weiterzahlung der Beiträge zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, die den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats gewährt wird, stellt nämlich eine Vergünstigung dar, die der Gesetzgeber vorgesehen hat, um für die Wehrpflichtigen teilweise die Nachteile auszugleichen, die sich aus ihrer Wehrpflicht ergeben. Sie erfolgt nicht aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung, die dem Arbeitgeber in Zusammenhang mit den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im Sinne des genannten Artikels 7 Absatz 1 obliegt und kann nicht als eine Vergünstigung angesehen werden, die dem inländischen Arbeitnehmer wegen seiner objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen seines Wohnortes im Inland gewährt wird, also als eine soziale Vergünstigung im Sinne des Artikels 7 Absatz 2.

 

Normenkette

EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2, 1

 

Beteiligte

Peter de Vos

Stadt Bielefeld

 

Tenor

Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist dahin auszulegen, daß ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, keinen Anspruch auf Weiterentrichtung der Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst in der Höhe hat, in der sie zu entrichten wären, wenn das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Einberufung des Arbeitnehmers zum Wehrdienst nicht ruhen würde, wenn den im öffentlichen Dienst beschäftigten Staatsangehörigen dieses Staates ein solcher Anspruch gesetzlich bei Ableistung des Wehrdienstes dieses Staates zusteht.

 

Gründe

1 Das Arbeitsgericht Bielefeld hat mit Beschluß vom 3. November 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 29. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Peter de Vos (nachstehend: Kläger), einem belgischen Staatsangehörigen, und der Stadt Bielefeld (nachstehend: Beklagte), bei der der Kläger als Oberarzt angestellt ist.

3 Aufgrund des Tarifvertrags über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) besteht für Personen in der Lage des Klägers eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Gemäß § 29 der Satzung der VBL zahlt der Arbeitgeber monatliche Beiträge für den Arbeitnehmer an die VBL.

4 Der Kläger leistete in der Zeit vom 29. März 1993 bis zum 1. März 1994 seinen Grundwehrdienst i...

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