Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Humanarzneimittel. Dezentralisiertes Genehmigungsverfahren für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels. Generikum. Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels. Befugnis der zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten, den Zeitpunkt des Beginns der Schutzfrist festzulegen. Befugnis der Gerichte der betroffenen Mitgliedstaaten, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Schutzfrist zu überprüfen. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz
Normenkette
Richtlinie 2001/83/EG Art. 28-29, 10; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47
Beteiligte
Tenor
1. Art. 28 und Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums die zuständige Behörde eines von diesem Verfahren betroffenen Mitgliedstaats bei dem Erlass ihrer Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 5 dieser Richtlinie über das Inverkehrbringen dieses Generikums in diesem Mitgliedstaat nicht selbst den Zeitpunkt des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels festlegen darf.
2. Art. 10 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2012/26 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, das mit einem Rechtsbehelf des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats über die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums in diesem Mitgliedstaat befasst ist, befugt ist, die Festlegung des Zeitpunkts des Beginns der Unterlagenschutzfrist des Referenzarzneimittels zu prüfen. Dieses Gericht ist hingegen nicht befugt, festzustellen, ob die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels mit dieser Richtlinie vereinbar war.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2016, in dem Verfahren auf Betreiben von
Astellas Pharma GmbH,
Beteiligte:
Helm AG,
Lääkealan turvallisuus- ja kehittämiskeskus (Fimea),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Astellas Pharma GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt B. Sträter, M. I. Manley, Solicitor, und M. Segercrantz, asianajaja,
- der Helm AG, vertreten durch Rechtsanwalt P. von Czettritz und K. Nyblin, asianajaja,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und J. Van Holm als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
- von Irland, vertreten durch M. Browne, L. Williams, E. Creedon und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von S. Kingston, Barrister,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch D. Robertson, J. Kraehling und G. Brown als Bevollmächtigte im Beistand von G. Peretz, Barrister,
- des Königreichs Norwegen, vertreten durch K. B. Moen, E. Sawkins Eikeland und I. S. Jansen als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sipos und M. Huttunen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Dezember 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67, berichtigt im ABl. 2009, L 87, S. 174, und ABl. 2011, L 276, S. 63) in der durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 299, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83) sowie Art. 10 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
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