Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Hypothekenverträge. Mindestzinssatzklausel. Prüfung der Klausel im Hinblick auf ihre Ungültigerklärung. Verbandsverfahren. Unterlassungsklage. Aussetzung des Individualverfahrens mit demselben Gegenstand
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Catalunya Caixa SA (Catalunya Banc SA) |
Tenor
Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der das mit einer Individualklage eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel eines mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags befasste Gericht dieses Verfahren automatisch aussetzen muss, bis ein rechtskräftiges Urteil in einem anhängigen Verbandsklageverfahren ergangen ist, das eine Verbraucherschutzvereinigung auf der Grundlage von Abs. 2 dieses Artikels angestrengt hat, damit der Verwendung von Klauseln wie der von der Individualklage erfassten in derartigen Verträgen ein Ende gesetzt wird, ohne dass berücksichtigt werden dürfte, ob eine solche Aussetzung im Hinblick auf den Schutz des Verbrauchers, der das Gericht individuell angerufen hat, sachgerecht ist, und ohne dass sich dieser Verbraucher von der Verbandsklage lösen könnte.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil n° 9 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 9 von Barcelona, Spanien) mit Entscheidungen vom 27. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. und 12. August 2014, in den Verfahren
Jorge Sales Sinués
gegen
Caixabank SA (C-381/14)
und
Youssouf Drame Ba
gegen
Catalunya Caixa SA (Catalunya Banc SA) (C-385/14)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter F. Biltgen, A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Sales Sinués, vertreten durch D. Cirera Mora und F. Pertínez Vílchez, abogados,
- der Caixabank SA, vertreten durch J. Fontquerni Bas, procurador, im Beistand von A. Ferreres Comella, abogado,
- der Catalunya Caixa SA, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo und I. Fernández de Senespleda, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Januar 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Sales Sinués und der Caixabank SA bzw. Herrn Drame Ba und der Catalunya Caixa SA über die Nichtigkeit von Vertragsklauseln in Hypothekendarlehensverträgen.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 93/13
Rz. 3
In Art. 3 der Richtlinie 93/13 heißt es:
„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.
…”
Rz. 4
Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrags oder eines anderen Vertrags, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.”
Rz. 5
Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.”
Rz. 6
In Art. 7 der Richtlinie 93/13 heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaa...