Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Abfälle. Vorhandene Deponien. Nachsorgephase. Verlängerung. Kosten der Ablagerung von Abfällen. Verursacherprinzip. Zeitliche Anwendung der Richtlinie
Normenkette
Richtlinie 1999/31/EG
Beteiligte
Azienda Municipale Ambiente |
A.m.a. – Azienda Municipale Ambiente SpA |
Consorzio Laziale Rifiuti – Co.La.Ri |
Tenor
Die Art. 10 und 14 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien sind dahin auszulegen, dass sie der Auslegung einer innerstaatlichen Vorschrift dahin, dass für eine Deponie, die zum Zeitpunkt der Umsetzung der Richtlinie bereits in Betrieb war, die Verpflichtungen aus der Richtlinie, insbesondere eine Verlängerung der Nachsorgephase, gelten, ohne dass nach dem Zeitpunkt der Ablagerung der Abfälle differenziert werden müsste und ohne dass Maßnahmen zur Begrenzung der finanziellen Auswirkungen der Verlängerung der Nachsorgephase für den Besitzer der Abfälle vorgesehen werden müssten, nicht entgegenstehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof, Italien) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2019, in dem Verfahren
A.m.a. – Azienda Municipale Ambiente SpA
gegen
Consorzio Laziale Rifiuti – Co.La.Ri.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb und T. von Danwitz,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2019
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der A.m.a. – Azienda Municipale Ambiente SpA, vertreten durch L. Opilio, G. Pellegrino und P. Cavasola, avvocati,
- des Consorzio Laziale Rifiuti – Co.La.Ri., vertreten durch F. Tedeschini, avvocato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und F. Thiran als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Januar 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 10 und 14 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. 1999, L 182, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der A.m.a. – Azienda Municipale Ambiente SpA (im Folgenden: A.m.a.), die in der Stadt Rom (Italien) für die Sammlung von festen Siedlungsabfällen und deren Ablagerung auf Deponien verantwortlich ist, und dem Consorzio Laziale Rifiuti – Co.La.Ri., dem Betreiber der Deponie Malagrotta (Region Latium, Italien), wegen der Mehrkosten aufgrund der für Co.La.Ri. nun für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren anstatt der ursprünglich vorgesehenen zehn Jahre bestehenden Verpflichtung zur Nachsorge.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 25 und 29 der Richtlinie 1999/31 heißt es:
„(25) Die Bestimmungen dieser Richtlinie über das Stilllegungsverfahren sollten nicht für Deponien gelten, die vor dem Termin für die Umsetzung der Richtlinie stillgelegt wurden.
…
(29) Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass das Entgelt für die Abfallbeseitigung in einer Deponie so festgelegt wird, dass alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Deponie, soweit wie möglich einschließlich der – vom Betreiber zu stellenden – finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertigem, und die geschätzten Kosten für die Stilllegung, einschließlich der Nachsorge, abgedeckt sind.”
Rz. 4
Art. 1 („Allgemeine Zielsetzung”) Abs. 1 der Richtlinie 1999/31 bestimmt:
„Im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie 75/442/EWG [des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. 1975, L 194, S. 39)], insbesondere ihrer Artikel 3 und 4, ist es Ziel der vorliegenden Richtlinie, durch die Festlegung strenger betriebsbezogener und technischer Anforderungen in Bezug auf Abfalldeponien und Abfälle Maßnahmen, Verfahren und Leitlinien vorzusehen, mit denen während des gesamten Bestehens der Deponie negative Auswirkungen der Ablagerung von Abfällen auf die Umwelt, insbesondere die Verschmutzung von Oberflächenwasser, Grundwasser, Boden und Luft, und auf die globale Umwelt, einschließlich des Treibhauseffekts, sowie alle damit verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit weitestmöglich vermieden oder vermindert werden.”
Rz. 5
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie 1999/31 bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff
…
g) ‚Deponie’ eine Abfallbeseitigungsanlage für die Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erdoberfläche (d. h. unter Tage), …
…
l) ‚Betreiber’ die natürliche oder juristische Person, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Deponie gelegen ist, für die Deponie verantwortlich ist; dabei kann es sich von der Vorbereitung bis zur Nachsorgephase um verschiedene Personen handeln;
…
n) ‚Besitzer’ der Erzeuger ...