Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Leistungen gleicher Art. Begriff. Antikumulierungsvorschrift. Voraussetzungen. Nationale Regelung, die eine Zulage zur Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit für Arbeitnehmer vorsieht, die mindestens 55 Jahre alt sind. Ruhen der Zulage im Fall einer Beschäftigung oder des Bezugs einer Altersrente
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 12; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 46a; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 46b; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 46c
Beteiligte
Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS) |
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) |
Tenor
1. Eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, nach der die Zulage zur Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit während des Zeitraums, in dem der Empfänger dieser Rente eine Altersrente in einem anderen Mitgliedstaat oder in der Schweiz bezieht, zum Ruhen gebracht wird, stellt eine Kürzungsbestimmung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 geänderten Fassung dar.
2. Art. 46a Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71, geändert und aktualisiert durch die Verordnung Nr. 118/97, in der durch die Verordnung Nr. 592/2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats” so zu verstehen ist, dass er die Auslegung einer nationalen Rechtsvorschrift durch ein oberstes nationales Gericht umfasst.
3. Eine Zulage zur Rente wegen dauerhafter vollständiger Berufsunfähigkeit, die einem Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats – wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen – gewährt wird, und eine von demselben Arbeitnehmer in der Schweiz erworbene Altersrente sind als Leistungen gleicher Art im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71, geändert und aktualisiert durch die Verordnung Nr. 118/97, in der durch die Verordnung Nr. 592/2008 geänderten Fassung anzusehen.
4. Art. 46b Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71, geändert und aktualisiert durch die Verordnung Nr. 118/97, in der durch die Verordnung Nr. 592/2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine nationale Antikumulierungsvorschrift, wie sie sich aus Art. 6 des Decreto 1646/1972 para la aplicación de la ley 24/1972, de 21 de junio, en materia de prestaciones del Régimen General de la Seguridad Social (Dekret 1646/1972 zur Durchführung des Gesetzes 24/1972 vom 21. Juni 1972 über Leistungen des Allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit) vom 23. Juni 1972 ergibt, auf eine gemäß Art. 46 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dieser Verordnung berechnete Leistung nicht anwendbar ist, wenn diese Leistung nicht in Anhang IV Teil D dieser Verordnung aufgeführt ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Castilla y León (Obergericht für Kastilien und León, Spanien) mit Entscheidung vom 11. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 2. August 2016, in dem Verfahren
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS),
Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS)
gegen
José Blanco Marqués
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und der Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS), vertreten durch A. Trillo García und M. Baró Pazos, letrados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4, 12 und 46a bis 46c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen P...