Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Schiedsklausel. Im Rahmen des spezifischen Programms ‚Ziviljustiz’ für den Zeitraum 2007-2013 geschlossene Finanzhilfevereinbarungen. Prüfberichte, in denen bestimmte Kosten als nicht förderfähig eingestuft werden. Beschluss der Europäischen Kommission, die rechtsgrundlos gezahlten Beträge einzuziehen. Befugnis der Kommission, im Rahmen eines Vertragsverhältnisses einen Beschluss zu erlassen, der ein vollstreckbarer Titel ist. Zuständigkeit der Unionsgerichte. Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz
Normenkette
AEUV Art. 299
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die ADR Center SpA trägt neben zwei Dritteln ihrer eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten der Europäischen Kommission.
3. Die Europäische Kommission trägt neben einem Drittel ihrer eigenen Kosten ein Drittel der Kosten der ADR Center SpA.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 4. Oktober 2017,
ADR Center SpA mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: A. Guillerme und T. Bontinck, avocats,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch J. Estrada de Solà und A. Katsimerou als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal sowie der Richter J. Malenovský und F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. November 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die ADR Center SpA (im Folgenden: ADR) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 20. Juli 2017, ADR Center/Kommission (T-644/14, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:533), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2014) 4485 endg. der Kommission vom 27. Juni 2014 über die Einziehung eines Teils des Finanzbeitrags, der ADR gemäß drei im Rahmen des spezifischen Programms „Ziviljustiz” geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen gezahlt wurde (im Folgenden: streitiger Beschluss), und auf Verurteilung der Europäischen Kommission, an sie den gemäß den drei Finanzhilfevereinbarungen noch geschuldeten Restbetrag von 49 172,52 Euro sowie Schadensersatz zu zahlen, abgewiesen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Nach Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) bezeichnet der Ausdruck „Organ” für die Zwecke dieser Verordnung u. a. die Kommission.
Rz. 3
Art. 79 Abs. 2 der Haushaltsordnung bestimmt:
„Das Organ kann die Feststellung einer Forderung gegenüber anderen Schuldnern als Mitgliedstaaten durch einen Beschluss formalisieren, der ein vollstreckbarer Titel gemäß Artikel 299 AEUV ist.
…”
Rz. 4
Art. 90 der Haushaltsordnung bestimmt:
„(1) Die Zahlung stützt sich auf den Nachweis, dass die betreffende Maßnahme mit dem Basisrechtsakt oder dem betreffenden Vertrag in Einklang steht, und umfasst einen oder mehrere der folgenden Vorgänge:
- Zahlung des vollen Betrags, der geschuldet wird;
Zahlung des geschuldeten Betrags nach folgenden Modalitäten:
i) Vorfinanzierung, gegebenenfalls in mehreren Teilbeträgen, nach Unterzeichnung der Übertragungsvereinbarung, des Vertrags oder der Finanzhilfevereinbarung oder nach Zustellung des Finanzhilfebeschlusses,
ii) eine oder mehrere Zwischenzahlungen entsprechend dem Durchführungsstand der Maßnahme,
iii) Zahlung des geschuldeten Restbetrags, wenn die Maßnahme vollständig durchgeführt ist.
…”
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 5
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist im angefochten Urteil in den Rn. 1 bis 42 dargestellt. Für die Zwecke des Rechtsmittelverfahrens lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.
Rz. 6
ADR ist eine in Italien ansässige Gesellschaft, die Dienstleistungen im Bereich der gütlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten erbringt.
Rz. 7
Im Dezember 2008 schloss die Kommission gemäß dem Beschluss Nr. 1149/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. September 2007 zur Auflegung des spezifischen Programms „Ziviljustiz” als Teil des Generellen Programms „Grundrechte und Justiz” für den Zeitraum 2007-2013 (ABl. 2007, L 257, S. 16) mit Konsortien, deren Koordinatorin die Klägerin war, drei Finanzhilfevereinbarungen.
Rz. 8
Nach Art. I.6 in Verbindung mit Art. II.15.4 der Finanzhilfevereinbarungen hatte der Koordinator innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der betreffenden Maßnahme zu übermitteln: (1) einen Abschlussbericht über die technische Ausführung der Maßnahme, (2) ein...