Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel. Genehmigung für das Inverkehrbringen. Im Wesentlichen gleiche Arzneimittel. Abgekürztes Verfahren. Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. Versagungsgründe. Haftung eines Mitgliedstaats. Qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht
Beteiligte
Licensing Authority of the Department of Health |
Tenor
1. Es läuft Art. 28 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel zuwider, dass ein Mitgliedstaat, bei dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii dieser Richtlinie erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels gestellt worden ist, diesen Antrag mit der Begründung ablehnt, dass das fragliche Arzneimittel dem Referenzarzneimittel nicht im Wesentlichen gleiche.
2. Darin, dass ein Mitgliedstaat einer von einem anderen Mitgliedstaat im abgekürzten Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels die Anerkennung gemäß Art. 28 dieser Richtlinie mit der Begründung versagt, dass das betroffene Arzneimittel dem Referenzarzneimittel nicht im Wesentlichen gleiche oder einer Kategorie von Arzneimitteln angehöre, für die eine allgemeine Praxis des betroffenen Mitgliedstaats es ausschließe, das Arzneimittel als dem Referenzarzneimittel im Wesentlichen gleich anzusehen, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, der die Haftung dieses Mitgliedstaats begründen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 3. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2006, in dem Verfahren
The Queen, auf Antrag der
Synthon BV,
gegen
Licensing Authority of the Department of Health,
andere Beteiligte:
SmithKline Beecham plc,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. ilešič, A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet und E. Levits,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2007,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Synthon BV, vertreten durch G. Barling, QC, S. Kon und C. Firth, Solicitors, sowie S. Ford, Barrister,
- der SmithKline Beecham plc, vertreten durch I. Dodds-Smith und R. Hughes, Solicitors, sowie J. Stratford, Barrister,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch T. Harris und V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von P. Sales, QC, und J. Coppel, Barrister,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Grave als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka, P. Dabrowski und T. Krawczyk als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Stromsky und D. Lawunmi als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch L. Gåseide Røsås und I. Alvik als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 28 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Synthon BV (im Folgenden: Synthon), einer im Arzneimittelsektor tätigen Gesellschaft niederländischen Rechts, und der Licensing Authority of the Department of Health des Vereinigten Königreichs (im Folgenden: Licensing Authority) wegen der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, mit der die Licensing Authority einen Antrag von Synthon auf gegenseitige Anerkennung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels abgelehnt hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2001/83 hat die Richtlinien zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Humanarzneimittel – darunter die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 65/65) sowie die Zweite Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13) in der durch die Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 (ABl. L 139, S. 28) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/319) – kodifiziert und i...