Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Sozialpolitik. Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind erhalten hat. Versagung eines Mutterschaftsurlaubs. Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern -Ungünstigere Behandlung einer Bestellmutter hinsichtlich der Gewährung von Mutterschaftsurlaub
Normenkette
Richtlinie 92/85/EWG Art. 8; Richtlinie 2006/54/EG Art. 14
Beteiligte
Tenor
1. Die Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, einer Arbeitnehmerin in ihrer Eigenschaft als Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind erhalten hat, einen Mutterschaftsurlaub gemäß Art. 8 dieser Richtlinie zu gewähren, und zwar auch dann nicht, wenn sie das Kind nach der Geburt möglicherweise oder tatsächlich stillt.
2. Art. 14 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen in Verbindung mit deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b und Abs. 2 Buchst. c ist dahin auszulegen, dass es keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn ein Arbeitgeber einer Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind erhalten hat, keinen Mutterschaftsurlaub gewährt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Employment Tribunal Newcastle upon Tyne (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 29. März 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2012, in dem Verfahren
C. D.
gegen
S. T.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen und M. Safjan (Berichterstatter), der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau D., vertreten durch K. Ewing, Solicitor, K. Monaghan, QC, und J. Russell, Barrister,
- von S. T., vertreten durch C. Jeans, QC, und A. Edge, Barrister,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch A. Robinson als Bevollmächtigten im Beistand von E. Dixon, Barrister,
- von Irland, vertreten durch E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von G. Durcan, SC, und C. Smith, BL,
- der griechischen Regierung, vertreten durch E.-M. Mamouna und D. Tsagkaraki als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und E. Pedrosa als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und C. Gheorghiu als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. September 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Buchst. c, Art. 8 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) sowie von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b und Abs. 2 Buchst. c und Art. 14 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau D., einer Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind erhalten hat, und ihrem Arbeitgeber S. T., einer Stiftung des National Health Service (staatlicher Gesundheitsdienst), wegen dessen Ablehnung, ihr infolge der Geburt des Kindes bezahlten Urlaub zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92/85
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 8, 9, 14 und 17 der Richtlinie 92/85 lauten:
„Artikel 118a [EG] sieht vor, dass der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften erlässt, um die Verbesserung insbesondere der...