Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Gewerbliche Flüge von einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat. Regelung eines Mitgliedstaats, wonach Luftfahrtunternehmen der Union, die nicht über eine von diesem Staat erteilte Betriebsgenehmigung verfügen, zum Einflug aus einem Drittstaat einer Erlaubnis bedürfen
Normenkette
AEUV Art. 18
Beteiligte
International Jet Management |
International Jet Management GmbH |
Tenor
1. Art. 18 AEUV, in dem das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit niedergelegt ist, findet auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren fragliche Anwendung, in der ein erster Mitgliedstaat von einem Luftfahrtunternehmen mit einer Betriebsgenehmigung, die von einem zweiten Mitgliedstaat erteilt worden ist, verlangt, dass es zur Durchführung von Bedarfsflügen aus einem Drittstaat in den ersten Mitgliedstaat eine Erlaubnis zum Einflug in den Luftraum dieses ersten Mitgliedstaats einholt, während eine solche Erlaubnis für Luftfahrtunternehmen mit einer Betriebsgenehmigung, die von dem ersten Mitgliedstaat erteilt worden ist, nicht verlangt wird.
2. Art. 18 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines ersten Mitgliedstaats entgegensteht, mit der zum einen unter Androhung einer Geldbuße im Fall ihrer Nichtbeachtung von einem Luftfahrtunternehmen mit einer Betriebsgenehmigung, die von einem zweiten Mitgliedstaat erteilt worden ist, verlangt wird, dass es zur Durchführung von Bedarfsflügen aus einem Drittstaat in diesen ersten Mitgliedstaat eine Erlaubnis zum Einflug in den Luftraum des ersten Mitgliedstaats einholt, während eine solche Erlaubnis für Luftfahrtunternehmen mit einer von dem ersten Mitgliedstaat erteilten Betriebsgenehmigung nicht verlangt wird, und die zum anderen die Erteilung dieser Erlaubnis von dem Nachweis abhängig macht, dass Luftverkehrsunternehmen mit einer von dem ersten Mitgliedstaat erteilten Betriebsgenehmigung nicht bereit oder in der Lage sind, diese Flüge durchzuführen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Braunschweig (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Dezember 2011, in dem Bußgeldverfahren gegen die
International Jet Management GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, E. Juhász, A. Borg Barthet, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter A. Rosas (Berichterstatter), G. Arestis und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. Vajda,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der International Jet Management GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte J. Janezic und P. Ehlers,
- der deutschen Regierung, vertreten durch A. Wiedmann und T. Henze als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Martínez-Lage Sobredo als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und M. Perrot als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Eberhard als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, F. Bulst und T. van Rijn als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gegen die International Jet Management GmbH (im Folgenden: International Jet Management), eine Luftverkehrsgesellschaft mit Sitz in der Republik Österreich, der zur Last gelegt wird, Bedarfsflüge von Moskau (Russland) und Ankara (Türkei) nach Deutschland durchgeführt zu haben, ohne über die nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats erforderliche Erlaubnis zum Einflug in den deutschen Luftraum zu verfügen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 261/2004
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1) bestimmt:
„Diese Verordnung gilt
- für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebie...