Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Europäische Gesellschaft. Beteiligung der Arbeitnehmer an der Beschlussfassung der Europäischen Gesellschaft. Durch Umwandlung gegründete Europäische Gesellschaft. Inhalt der ausgehandelten Vereinbarung. Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat. Wahlverfahren, das einen gesonderten Wahlgang für die Gewerkschaftsvertreter vorsieht

 

Normenkette

EG-RL 86/2001 Art. 4 Abs. 4

 

Beteiligte

IG Metall und ver.di

Industriegewerkschaft Metall (IG Metall)

ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

SAP SE

SE-Betriebsrat der SAP SE

 

Tenor

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer

ist dahin auszulegen, dass

die für eine durch Umwandlung geschaffene SE geltende Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der SE in Bezug auf die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Kandidaten einen getrennten Wahlgang vorsehen muss, sofern das anwendbare nationale Recht einen solchen getrennten Wahlgang in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der in eine SE umzuwandelnden Gesellschaft vorschreibt; im Zusammenhang mit diesem Wahlgang muss die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer dieser SE, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe sowie der in ihnen vertretenen Gewerkschaften gewahrt sein.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. August 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 2020, in dem Verfahren

Industriegewerkschaft Metall (IG Metall),

ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

gegen

SAP SE,

SE-Betriebsrat der SAP SE,

Beteiligte:

Konzernbetriebsrat der SAP SE,

Deutscher Bankangestellten-Verband e. V.,

Christliche Gewerkschaft Metall (CGM),

Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e. V.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi, des Kammerpräsidenten D. Gratsias und der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún, der Richter S. Rodin, F. Biltgen (Berichterstatter), N. Piçarra und N. Wahl, der Richterin I. Ziemele und des Richters J. Passer,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) und ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, vertreten durch Rechtsanwältin S. Birte Carlson,
  • der SAP SE, vertreten durch Rechtsanwältin K. Häferer-Duttiné sowie Rechtsanwälte P. Matzke und A. Schulz,
  • des Konzernbetriebsrats der SAP SE, vertreten durch Rechtsanwalt H.-D. Wohlfarth,
  • der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), vertreten durch G. Gerhardt als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der luxemburgischen Regierung, vertreten durch A. Rodesch, Avocat,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer (ABl. 2001, L 294, S. 22).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) und der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft auf der einen und der SAP SE, einer Europäischen Gesellschaft (SE), sowie dem SE-Betriebsrat von SAP auf der anderen Seite bezüglich der Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer innerhalb von SAP.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 3, 5, 10, 15 und 18 der Richtlinie 2001/86 heißt es:

„(3) Um die Ziele der Gemeinschaft im sozialen Bereich zu fördern, müssen besondere Bestimmungen – insbesondere auf dem Gebiet der Beteiligung der Arbeitnehmer – festgelegt werden, mit denen gewährleistet werden soll, dass die Gründung einer SE nicht zur Beseitigung oder zur Einschränkung der Gepflogenheiten der Arbeitnehmerbeteiligung führt, die in den an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften herrschen. Dieses Ziel sollte durch die Einführung von Regeln in diesen Bereich verfolgt werden, mit denen die Bestimmungen der [Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. 2001, L 294, S. 1)] ergänzt werden.

(5) Angesichts der in den Mi...

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