Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Zulassung bestimmter Verwendungen von Chromtrioxid. Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Zulassungserteilung. Verpflichtung, nachzuweisen, dass der sozioökonomische Nutzen die Risiken überwiegt, die sich aus der Verwendung des Stoffes für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ergeben, und dass es keine geeigneten Alternativstoffe oder -technologien gibt. Zulassungsanträge. Verfahren für Zulassungsentscheidungen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Art. 60, 62, 64
Beteiligte
Parlament/ Kommission (Autorisation d’une substance extrêmement préoccupante) |
Tenor
1.Art. 1 Abs. 1 und 5 und die Art. 2 bis 5, 7, 9 und 10 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 8797 der Kommission vom 18. Dezember 2020, mit dem gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates für bestimmte Verwendungen von Chromtrioxid eine teilweise Zulassung erteilt wurde (Chemservice GmbH u. a.), werden, soweit sie die Zulassung der Verwendungen 2, 4 und 5 und der Verwendung 1, was die Formulierung von Gemischen für die Verwendungen 2, 4 und 5 angeht, betreffen, für nichtig erklärt.
2.Die Wirkungen des Durchführungsbeschlusses C(2020) 8797 werden für eine Dauer von nicht mehr als einem Jahr ab der Verkündung des vorliegenden Urteils aufrechterhalten.
3.Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-144/21
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 5. März 2021,
Europäisches Parlament, vertreten durch C. Ionescu Dima, M. Menegatti und L. Visaggio als Bevollmächtigte,
Kläger,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und K. Mifsud-Bonnici als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch W. Broere, M. Heikkilä und T. Zbihlej als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit seiner Klage begehrt das Europäische Parlament die Nichtigerklärung des Art. 1 Abs. 1 und 5 und der Art. 2 bis 5, 7, 9 und 10 des Durchführungsbeschlusses C(2020) 8797 der Kommission vom 18. Dezember 2020, mit dem gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates für bestimmte Verwendungen von Chromtrioxid eine teilweise Zulassung erteilt wurde (Chemservice GmbH u. a.) (im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit sie die Zulassung der Verwendungen 2, 4 und 5 und der Verwendung 1, was die Formulierung von Gemischen für die Verwendungen 2, 4 und 5 angeht, betreffen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
In der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt in ABl. 2007, L 136, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. 2008, L 353, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: REACH-Verordnung) heißt es in den Erwägungsgründen 1, 8, 12, 22, 69, 70, 72, 73, 77, 82 und 119:
„(1) Diese Verordnung sollte ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Gemischen oder in Erzeugnissen gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessern. Diese Verordnung sollte auch die Entwicklung alternativer Beurteilungsmethoden für von Stoffen ausgehende Gefahren fördern.
…
(8) Die möglichen Auswirkungen dieser Verordnung auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und die Notwendigkeit, jegliche Diskriminierung dieser Unternehmen zu vermeiden, sollten besondere Berücksichtigung finden.
…
(12) Ein wichtiges Ziel des durch diese Verordnung einzurichtenden neuen Systems besteht darin, darauf hinzuwirken und in bestimmten Fällen sicherzustellen, dass besorgniserregende Stoffe letztendlich durch weniger gefährliche Stoffe oder Technologien ersetzt werden, soweit geeignete, wirtschaftlich und technisch tragfähige Alternativen zur Verfügung stehen. …
(22) Mit den Zulassungsvorschriften sollte sichergestellt werden, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert und die von besonders besorgniserregenden Stoffen aus...