Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Finanzielle Studienbeihilfe. Voraussetzung eines Wohnsitzes in dem die Beihilfe gewährenden Mitgliedstaat. Verweigerung der Gewährung der Beihilfe an Studierende, die Unionsbürger sind, nicht in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind und deren Vater oder Mutter in diesem Mitgliedstaat als Grenzgänger arbeitet. Mittelbare Diskriminierung. Rechtfertigung. Ziel der Erhöhung des Anteils der gebietsansässigen Personen mit Hochschulabschluss. Geeignetheit. Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Art. 7 Abs. 2

 

Beteiligte

Giersch u.a

Elodie Giersch

Benjamin Marco Stemper

Julien Taminiaux

Xavier Renaud Hodin

Joëlle Hodin

Großherzogtum Luxemburg

 

Tenor

Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er grundsätzlich einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die die Gewährung einer finanziellen Studienbeihilfe von der Erfüllung eines Wohnsitzerfordernisses durch den Studierenden abhängig macht und die zu einer eine mittelbare Diskriminierung darstellenden Ungleichbehandlung von in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässigen Personen und von Personen führt, die zwar nicht in diesem Mitgliedstaat ansässig, aber Kinder von Grenzgängern sind, die in diesem Mitgliedstaat eine Tätigkeit ausüben.

Das Ziel, den Anteil der Gebietsansässigen mit Hochschulabschluss zu erhöhen, um die Entwicklung der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats zu fördern, stellt zwar ein legitimes Ziel dar, das eine Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, und ein Wohnsitzerfordernis, wie es die in den Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften vorsehen, ist auch geeignet, die Verwirklichung dieses Ziels zu gewährleisten, doch geht diese Voraussetzung über das hinaus, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich ist, soweit mit ihr die Berücksichtigung anderer Kriterien ausgeschlossen wird, die für den tatsächlichen Grad der Verbundenheit zwischen demjenigen, der die genannte finanzielle Beihilfe beantragt, und der Gesellschaft oder dem Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats repräsentativ sein können, wie beispielsweise der Umstand, dass ein Elternteil, der weiter für den Unterhalt des Studierenden aufkommt, Grenzgänger ist, der in diesem Mitgliedstaat eine dauerhafte Beschäftigung hat und dort bereits seit längerer Zeit arbeitet.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif (Luxemburg) mit Entscheidung vom 11. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2012, in dem Verfahren

Elodie Giersch,

Benjamin Marco Stemper,

Julien Taminiaux,

Xavier Renaud Hodin,

Joëlle Hodin

gegen

Großherzogtum Luxemburg,

Beteiligter:

Didier Taminiaux,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász, D. Šváby und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Giersch, vertreten durch S. Coï, avocat,
  • von Herrn Stemper, vertreten durch S. Jacquet, avocate,
  • von Herrn J. Taminiaux, vertreten durch P. Peuvrel und V. Wauthoz, avocats,
  • von Herrn und Frau Hodin, vertreten durch G. Thomas, avocat,
  • von Herrn D. Taminiaux, vertreten durch P. Peuvrel und V. Wauthoz, avocats,
  • der luxemburgischen Regierung, vertreten durch P. Frantzen und C. Schiltz als Bevollmächtigte im Beistand von P. Kinsch, avocat,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch M. Wolff und C. Vang als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papagianni als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Eberhard als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Stege und U. Persson als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet und M. Van Hoof als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Februar 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 158, S. 77, mit Berichtigung in ABl. 2004, L 229, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem luxemburgischen Minister für Hochschu...

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