Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gesellschaftsrecht. Übernahmeangebote. Möglichkeit, den Angebotspreis unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nach eindeutig festgelegten Kriterien abzuändern. Nationale Regelung, nach der die Aufsichtsstelle den Preis eines Übernahmeangebots im Fall der Kollusion zwischen dem Bieter oder den gemeinsam mit ihm handelnden Personen und einem oder mehreren Verkäufern erhöhen kann
Normenkette
Richtlinie 2004/25/EG Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2
Beteiligte
Marco Tronchetti Provera u.a |
Marco Tronchetti Provera SpA |
Antares European Fund Limited |
Antares European Fund II Limited |
Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (Consob) |
Tenor
Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die es der nationalen Aufsichtsstelle erlaubt, im Fall der Kollusion den Preis eines Übernahmeangebots zu erhöhen, ohne die einzelnen Verhaltensweisen aufzuführen, die diesen Begriff kennzeichnen, sofern sich die Auslegung des Begriffs anhand der vom innerstaatlichen Recht anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend klar, bestimmt und voraussehbar aus der Regelung ableiten lässt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 10. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2016, in dem Verfahren
Marco Tronchetti Provera SpA,
Antares European Fund Limited,
Antares European Fund II Limited,
Antares European Fund LP,
Luca Orsini Baroni,
UniCredit SpA,
Camfin SpA
gegen
Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (Consob),
Beteiligte:
Camfin SpA,
Generali Assicurazioni Generali SpA,
Antares European Fund Limited,
Antares European Fund II Limited,
Antares European Fund LP,
Luca Orsini Baroni,
Marco Tronchetti Provera & C. SpA,
UniCredit SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras (Berichterstatter), J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Camfin SpA, vertreten durch A. Zoppini, G. M. Roberti und I. Perego, avvocati,
- der Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (Consob), vertreten durch G. Randisi, S. Lopatriello, S. Providenti und A. Atripaldi, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. März 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote (ABl. 2004, L 142, S. 12).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von vier Rechtsstreitigkeiten zwischen mehreren italienischen Handelsgesellschaften und der Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (Consob) (nationale Börsenaufsichtsbehörde, Italien) über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Consob, den Preis eines Übernahmeangebots nach oben zu korrigieren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 bis 3 und 9 der Richtlinie 2004/25 lauten:
„(1) Gewisse Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen sind, im Interesse der Gesellschafter und Dritter vorgeschrieben sind, bedürfen gemäß Artikel [50] Absatz 2 Buchstabe g) des [AEU-Vertrags] der Koordinierung, um sie [unionsweit] gleichwertig zu gestalten.
(2) Wenn Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen, Gegenstand eines Übernahmeangebots oder eines Kontrollwechsels sind und zumindest ein Teil der Wertpapiere dieser Gesellschaften zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen sind, ist es notwendig, die Interessen der Inhaber dieser Wertpapiere zu schützen.
(3) Es ist erforderlich, [unionsweit] Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Rechtsfragen zu schaffen, die bei Übernahmeangeboten zu regeln sind, und zu vermeiden, dass die Formen der Umstrukturierung von Unternehmen in der [Union] durch willkürliche Unterschiede in der Führungs- und Managementkultur verzerrt werden.
…
(9) Die Mitgliedstaaten sollten die notwendigen Schritte unternehmen, um Wertpapierinhaber, insbesondere Wertpapierinhaber mit Minderheitsbeteiligungen, nach einem Kontroll...