Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Haftung für fehlerhafte Produkte. Sachlicher Anwendungsbereich der Richtlinie. Besondere Haftungsregelungen, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Richtlinie bestanden. Zulässigkeit einer nationalen Haftungsregelung, die es ermöglicht, Auskünfte über Nebenwirkungen von Arzneimitteln zu erlangen
Normenkette
Richtlinie 85/374/EWG
Beteiligte
Tenor
Die Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, mit der eine besondere Haftungsregelung im Sinne von Art. 13 der Richtlinie geschaffen wurde, die im Anschluss an eine nach der Bekanntgabe der Richtlinie an den betreffenden Mitgliedstaat erfolgte Änderung der nationalen Regelung vorsieht, dass der Verbraucher das Recht hat, vom Hersteller eines Arzneimittels Auskünfte über dessen Nebenwirkungen zu verlangen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2013, in dem Verfahren
Novo Nordisk Pharma GmbH
gegen
S.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau S., vertreten durch Rechtsanwalt J. Heynemann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und G. Wilms als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juni 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29) in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 (ABl. L 141, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/374).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Novo Nordisk Pharma GmbH (im Folgenden: Novo Nordisk Pharma) und Frau S. wegen des Ersuchens von Frau S. um Auskünfte über Neben- und weitere Wirkungen eines von diesem Unternehmen hergestellten Arzneimittels.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 13 und 18 der Richtlinie 85/374 lauten:
„Nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten kann der Geschädigte aufgrund einer vertraglichen Haftung oder aufgrund einer anderen als der in dieser Richtlinie vorgesehenen außervertraglichen Haftung Anspruch auf Schadenersatz haben. Soweit derartige Bestimmungen ebenfalls auf die Verwirklichung des Ziels eines wirksamen Verbraucherschutzes ausgerichtet sind, dürfen sie von dieser Richtlinie nicht beeinträchtigt werden. Soweit in einem Mitgliedstaat ein wirksamer Verbraucherschutz im Arzneimittelbereich auch bereits durch eine besondere Haftungsregelung gewährleistet ist, müssen Klagen aufgrund dieser Regelung ebenfalls weiterhin möglich sein.
…
Mit dieser Richtlinie lässt sich vorerst keine vollständige Harmonisierung erreichen, sie öffnet jedoch den Weg für eine umfassendere Harmonisierung. Der Rat sollte von der Kommission daher regelmäßig mit Berichten über die Durchführung dieser Richtlinie befasst werden, denen gegebenenfalls entsprechende Vorschläge beizufügen wären.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.”
Rz. 5
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„‚Hersteller’ ist der Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt.”
Rz. 6
Art. 4 der Richtlinie bestimmt:
„Der Geschädigte hat den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen.”
Rz. 7
Art. 7 der Richtlinie 85/374 sieht vor, dass der Hersteller nicht für ein fehlerhaftes Produkt haftet, wenn er beweist, dass einer der in dieser Vorschrift genannten Umstände vorliegt.
Rz. 8
Art. 13 dieser Richtlinie lautet:
„Die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vor...