Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften. Nationale Regelung, mit der ein Verbot, Glücksspiele, Lotterien und Wetten ohne Erlaubnis anzubieten, präzisiert oder eingeführt wird und ein Verbot, für ohne Erlaubnis angebotene Glücksspiele, Lotterien und Wetten zu werben, eingeführt wird
Beteiligte
Tenor
Art. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine nationale Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Bestrafung für das Anbieten von Glücksspielen, Lotterien oder Wetten im Inland ohne Erlaubnis vorsieht, keine technische Vorschrift im Sinne dieser Bestimmung darstellt, die nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie einer Mitteilungspflicht unterliegt. Dagegen stellt eine nationale Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Bestrafung für die Werbung für unerlaubte Glücksspiele, Lotterien oder Wetten vorsieht, eine technische Vorschrift im Sinne dieser Bestimmung dar, die nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie der Mitteilungspflicht unterliegt, soweit sich aus den Vorarbeiten zu dieser Vorschrift des nationalen Rechts eindeutig ergibt, dass sie ausdrücklich und gezielt die Ausdehnung eines bereits bestehenden Werbeverbots auf Online-Glücksspieldienstleistungen bezweckte, was festzustellen Sache des nationalen Gerichts ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Københavns byret (Stadtgericht Kopenhagen, Dänemark) mit Entscheidung vom 19. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2016, in dem Strafverfahren gegen
Bent Falbert,
Poul Madsen,
JP/Politikens Hus A/S
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, S. Rodin (Berichterstatter) und E. Regan,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Madsen und Herrn Falbert sowie der JP/Politikens Hus A/S, vertreten durch S. MacMahon Baldwin und M. Dittmer, advokater,
- der dänischen Regierung, vertreten durch M. Wolff, M. N. Lyshøj, C. Thorning und J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo, A. Silva Coelho und P. de Sousa Inès als Bevollmächtigte,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch L. Liţu und R. H. Radu als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, Y. Marinova, L. Grønfeldt, U. Nielsen und G. Braga da Cruz als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juli 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Nrn. 1, 2, 5 und 11 sowie von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines gegen Bent Falbert, Poul Madsen und die JP/Politikens Hus A/S eingeleiteten Strafverfahrens, in dem ihnen vorgeworfen wird, in der dänischen Zeitung Ekstra Bladet und auf den Internetpräsenzen dieser Zeitung für ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde angebotene Online-Glücksspieldienste Werbung veröffentlicht zu haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 der Richtlinie 98/34 bestimmt:
„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
1. ‚Erzeugnis’[:] Erzeugnisse, die gewerblich hergestellt werden, und landwirtschaftliche Erzeugnisse, einschließlich Fischprodukte;
2. ‚Dienst’: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.
Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck
- ‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung’ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;
- ‚elektronisch erbrachte Dienstleistung’ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt e...