Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 85/374/EWG. Haftung für fehlerhafte Produkte. Geltungsbereich. Nationale Regelung, die öffentliche Gesundheitseinrichtungen auch ohne eigenes Verschulden zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die ein Patient durch die Fehlerhaftigkeit eines bei der Behandlung verwendeten Geräts oder Produkts erlitten hat
Beteiligte
Dutrueux und Caisse primaire d'assurance maladie du Jura |
Centre hospitalier universitaire de Besançon |
Caisse primaire d'assurance maladie du Jura |
Tenor
Die Haftung eines Dienstleisters, der im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen wie einer Krankenhausbehandlung fehlerhafte Geräte oder Produkte verwendet, deren Hersteller im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung er nicht ist, und dadurch dem Empfänger der Dienstleistung einen Schaden zufügt, fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Es läuft dieser Richtlinie daher nicht zuwider, dass ein Mitgliedstaat eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche einführt, die die Haftung eines solchen Dienstleisters für so verursachte Schäden auch ohne eigenes Verschulden vorsieht, vorausgesetzt jedoch, für den Geschädigten und/oder den Dienstleister bleibt die Möglichkeit unberührt, die Haftung des Herstellers auf der Grundlage der Richtlinie in Anspruch zu nehmen, wenn die in dieser vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 4. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2010, in dem Verfahren
Centre hospitalier universitaire de Besançon
gegen
Thomas Dutrueux,
Caisse primaire d'assurance maladie du Jura
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot und M. Safjan, der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), E. Juhász, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J.-J. Kasel und D. Šváby sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Centre hospitalier universitaire de Besançon, vertreten durch D. Le Prado, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch E. Belliard, R. Loosli-Surrans, G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch F. Dedousi und M. Germani als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wilms und A. Marghelis als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. L 210, S. 29) in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 (ABl. L 141, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/374).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Centre hospitalier universitaire de Besançon (Universitätsklinik Besançon, im Folgenden: CHU Besançon) einerseits und Herrn Dutrueux sowie der Caisse primaire d'assurance maladie du Jura andererseits wegen Schadensersatzes für Verbrennungen, die Herr Dutrueux während eines chirurgischen Eingriffs durch eine Heizmatratze erlitt.
Rechtlicher Rahmen
Die Richtlinie 85/374
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 4, 13 und 18 der Richtlinie 85/374 lauten:
„Eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind, ist erforderlich, weil deren Unterschiedlichkeit den Wettbewerb verfälschen, den freien Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vor Schädigungen seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein fehlerhaftes Produkt führen kann.
…
Der Schutz des Verbrauchers erfordert es, dass alle am Produktionsprozess Beteiligten haften, wenn das Endprodukt oder der von ihnen gelieferte Bestandteil oder Grundstoff fehlerhaft war. Aus demselben Grunde hat die Person, die Produkte in die Gemeinschaft einführt, sowie jede Person zu haften, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen anbringt, oder die ein Produkt liefert, dessen Hersteller nic...