Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerb. Kartelle. Europäischer Markt für Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen. Haftung der Muttergesellschaft, die sich ausschließlich aus dem rechtswidrigen Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ableitet. Grundsatz ne ultra petita. Wirkung einer Nichtigerklärung, die durch ein eine Tochtergesellschaft betreffendes Urteil ausgesprochen wird, auf die Rechtsposition der Muttergesellschaft
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. Juni 2011,
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, V. Bottka und R. Sauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei:
Tomkins plc mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: K. Bacon, Barrister, beauftragt durch S. Jordan, Solicitor,
Klägerin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, M. Ilešič, G. Arestis, der Kammerpräsidentin M. Berger und des Kammerpräsidenten E. Jarašiūnas sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Borg Barthet, J.-C. Bonichot, M. Safjan, D. Švá by und der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzlerin: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2012,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juli 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 24. März 2011, Tomkins/Kommission (T-382/06, Slg. 2011, II-1157, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht zum einen die Entscheidung K(2006) 4180 der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F-1/38.121 – Rohrverbindungen) (Zusammenfassung in ABl. 2007, L 283, S. 63, im Folgenden: streitige Entscheidung) teilweise für nichtig erklärt hat und zum anderen die gegen Tomkins plc (im Folgenden: Tomkins) verhängte Geldbuße herabgesetzt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und der streitigen Entscheidung
Rz. 2
In den Randnrn. 1 bis 3 sowie 12 f. des angefochtenen Urteils hat das Gericht folgende Feststellungen getroffen:
- „Mit der [streitigen] Entscheidung … stellte die Kommission … fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen hätten, indem sie sich während unterschiedlicher Zeiträume zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 1. April 2004 an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt für Rohrverbindungen (Fittings) aus Kupfer und Kupferlegierungen, die das gesamte EWR-Gebiet abdeckten, beteiligt hätten. Die Zuwiderhandlung habe in der Festsetzung der Preise, der Vereinbarung von Preislisten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sowie von Mechanismen zur Durchführung von Preiserhöhungen, in der Aufteilung der nationalen Märkte sowie der Kunden, im Austausch anderer geschäftlicher Informationen sowie in der Teilnahme an regelmäßigen Treffen und im Unterhalten anderer Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern, bestanden.
- Die Klägerin, [Tomkins], und ihre damalige Tochtergesellschaft, [Pegler] (vormals The Steel Nut & Joseph Hampton Ltd), gehören zu den Adressaten der [streitigen] Entscheidung.
- Zwischen dem 17. Juni 1986 und dem 31. Januar 2004 hielt die Klägerin 100 % des Kapitals von Pegler, die Kupferfittings herstellte. Am 1. Februar 2004 wurde Pegler an ihre Geschäftsführung verkauft. Am 26. August 2005 wurden die Pegler Holdings Ltd und Pegler von der Aalberts Industries NV, einer anderen Adressatin der [streitigen] Entscheidung, übernommen.
…
12 In Art. 1 der [streitigen] Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft Pegler vom 31. Dezember 1988 bis zum 22. März 2001 gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen hätten.
13 Für diese Zuwiderhandlung setzte die Kommission gegen die Klägerin und Pegler als Gesamtschuldner in Art. 2 Buchst. h der [streitigen] Entscheidung eine Geldbuße von 5,25 Millionen Euro fest.”
Das angefochtene Urteil
Rz. 3
Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2006 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte Tomkins u. a.,
- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Dauer der Beteiligung von Pegler an der Zuwiderhandlung betreffe, und
- die gegen sie und Pegler gesamtschuldnerisch verhängte Geldbuße herabzusetzen.
Rz. 4
Nachdem die Klägerin er...