Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verbraucherkreditverträge. Missbräuchliche Klauseln. Zahlung aufgrund einer unzulässigen Klausel. Ungerechtfertigte Bereicherung des Kreditgebers. Verjährung des Erstattungsanspruchs. Grundsätze des Unionsrechts. Effektivitätsgrundsatz. Zwingende Angaben in einem Kreditvertrag. Abschaffung bestimmter nationaler Anforderungen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Auslegung der alten Fassung der nationalen Regelung im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Zeitliche Wirkung
Normenkette
Richtlinie 2008/48/EG; Richtlinie 2008/48/EG Art. 10 Abs. 2; Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Profi Credit Slovakia s. r. o |
Tenor
1. Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Klage eines Verbrauchers auf Rückzahlung von Beträgen, die er aufgrund von Klauseln, die im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen missbräuchlich sind oder gegen die Anforderungen der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates verstoßen, im Rahmen der Durchführung eines Kreditvertrags zu Unrecht gezahlt hat, einer Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt, die ab dem Tag, an dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist, zu laufen beginnt.
2. Art. 10 Abs. 2 und Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in ihrer Auslegung durch das Urteil vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia (C-42/15, EU:C:2016:842), sind auf einen Kreditvertrag anwendbar, der vor Verkündung dieses Urteils und vor einer Änderung der nationalen Regelung zur Anpassung an die in diesem Urteil vorgenommene Auslegung geschlossen wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský sýd v Prešove (Regionalgericht Prešov, Slowakei) mit Entscheidung vom 12. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juni 2019, in dem Verfahren
LH
gegen
Profi Credit Slovakia s. r. o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Profi Credit Slovakia s. r. o., vertreten durch A. Cviková, advokátka,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin, N. Ruiz García und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), des Grundsatzes der Effektivität des Unionsrechts sowie der Bestimmungen der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, und Berichtigungen ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46), insbesondere von Art. 10 Abs. 2 Buchst. h und i dieser Richtlinie.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen LH und der Profi Credit Slovakia s. r. o. wegen ungerechtfertigter Bereicherung dieses Unternehmens aufgrund von Zahlungen, die der Kreditnehmer auf der Grundlage mutmaßlich rechtsmissbräuchlicher oder unzulässiger Klauseln eines Verbraucherkreditvertrags geleistet hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 93/13/EWG
Rz. 3
In Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) heißt es:
„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.”
Rz. 4
Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.”
Richtlinie 2008/48
Rz. 5
Das Ziel der Richtlinie 2008/48 ist gemäß ihrem Art. 1 die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Regelungen der Mitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge.
Rz. 6
Art. 3 Buchst. i dieser Richtlinie...